11. Mai 2016

DAS EIS BRECHEN!

Uwe Jun­ge, der Lan­des­vor­sit­zen­de der AfD Rhein­land-Pfalz, hat sich genö­tigt gefühlt, zu mei­ner Rede auf der Pegi­da-Demons­tra­ti­on am ver­gan­ge­nen Mon­tag in Dres­den Stel­lung zu beziehen:

http://www.mittelrhein-tageblatt.de/mainz-junge-afd-tillschneiders-pegida-auftritt-wird-afd-nicht-gerecht-72909

Zunächst ein­mal begrü­ße ich, daß die Stel­lung­nah­me bei aller Kri­tik in kei­ne Distan­zie­rung­s­ti­ra­de mün­det. Dar­an wird ein deut­li­cher Fort­schritt gegen­über der Lucke-Ära erkenn­bar. Jun­ge trägt sei­ne Kri­tik rela­tiv sach­lich vor und des­halb will ich dar­auf eben­so sach­lich antworten.

Mei­ne For­de­rung nach einem Bun­des­ver­dienst­kreuz für Bach­mann war durch­aus nicht sati­risch gemeint, wie Jun­ge ver­mu­tet. Selbst­ver­ständ­lich hei­ße ich die face­book-Äuße­run­gen, die ihm zuge­schrie­ben wer­den, nicht gut. Man soll­te so nicht spre­chen. Aber auch, wenn er all das gesagt haben soll­te, was kei­nes­wegs als erwie­sen gel­ten kann, denn das Urteil ist noch nichts rechts­kräf­tig, selbst dann wäre es in mei­nen Augen eine ein­ma­li­ge Ent­glei­sung und eine läß­li­che Sün­de ver­gli­chen mit dem Ver­dienst, das er sich erwor­ben hat.

Die­ses Ver­dienst besteht dar­in, den Begriff „Isla­mi­sie­rung“ gesetzt und der Kri­tik an der Isla­mi­sie­rung eine star­ke Stim­me gege­ben zu haben, und das zu einer Zeit, zu der selbst in Tei­len der AfD noch die Anwei­sung galt, die­sen Begriff bit­te nicht zu ver­wen­den, weil er cha­rak­te­ris­tisch für einen rechts­extre­men (!) Dis­kurs sei. Die­se dümm­li­che, den Ein­schüch­te­rungs­ver­su­chen einer links­über­dreh­ten Poli­tik­wis­sen­schaft fol­gen­de Hal­tung wur­de erst auf­ge­ge­ben, als die Mit­glie­der, die sich von den War­nun­gen der Luckis­ten nicht beir­ren lie­ßen, mas­sen­haft zu die­sen Demons­tra­tio­nen gegen die I s l a m i si e r u n g des Abend­lan­des gegan­gen sind und so Tat­sa­chen geschaf­fen haben. Das zeigt: Manch­mal muß man ein­fach Tat­sa­chen schaffen.

Es stimmt auch nicht, daß, wie Jun­ge sagt, „die AfD ihre Pro­gram­ma­tik in einem lan­gen Erar­bei­tungs-Pro­zess völ­lig eigen­stän­dig ent­wi­ckelt und for­mu­liert“ hat. Die AfD exis­tiert nicht im luft­lee­ren Raum. Sie ist kein abge­schlos­se­nes Labor, auch wenn Lucke noch alle Mühe dar­auf ver­wandt hat, die Bun­des­fach­aus­schüs­se nach Art einer Iso­lier­sta­ti­on ein­zu­rich­ten. Dort, wo unser Pro­gramm gut ist, ist es Aus­druck des Volks­wil­lens, und dort, wo es schlecht ist, ist es Aus­druck von klein­li­chem, ängst­li­chem Par­tei­geist. Die Islam­pro­gram­ma­tik ist im gro­ßen und gan­zen gut und dar­in selbst­ver­ständ­lich das Resul­tat auch der Mas­sen­de­mons­tra­tio­nen gegen die Isla­mi­sie­rung des Abend­lan­des. Der Druck der Pegi­da hat mit dazu bei­getra­gen, daß es kein Zurück mehr hin­ter unse­re For­de­rung “Der Islam gehört nicht zu Deutsch­land” gab. Wes­halb darf das nicht aus­ge­spro­chen werden?

Jun­ge beruft sich auf Gau­land, der erklärt hat, daß Bach­mann für uns nicht als Part­ner in Fra­ge kommt. Gau­land hat aber auch erklärt, daß Pegi­da unser natür­li­cher Ver­bün­de­ter ist. Ich bewer­te letz­te­re Äuße­rung als maß­geb­lich, weil sie Grund­sätz­li­ches fest­stellt und sich nicht nur auf eine Per­son bezieht. Wenn aber Pegi­da unser natür­li­cher Ver­bün­de­ter ist, dann kann man über das Ver­hält­nis von Pegi­da und AfD in Dres­den nur betrübt sein.

Die ers­ten Kon­takt­ver­su­che im Dezem­ber 2014 mün­de­ten in einem Desas­ter: Eine völ­lig unan­ge­mes­se­ne Rück­tritts­for­de­rung an Bach­mann aus den Rei­hen der AfD, dann die glück­li­cher­wei­se miß­glück­te Spal­tung der Pegi­da. Das Ver­hält­nis war der­ma­ßen zer­rüt­tet, daß bei der Dresd­ner Bür­ger­meis­ter­wahl 2015 AfD und Pegi­da je eige­ne Kan­di­da­ten auf­ge­stellt haben, die sich das gemein­sa­me Poten­ti­al von damals 15% tei­len durf­ten, wobei zwei Drit­tel die­ses Poten­ti­als der cha­ris­ma­ti­schen Tat­ja­na Fes­ter­ling und ein Drit­tel dem nicht ganz so cha­ris­ma­ti­schen AfD-Kan­di­da­ten zufie­len. Das span­nungs­ge­la­de­ne Ver­hält­nis erreich­te einen Höhe­punkt, als Pegi­da öffent­lich ver­kün­de­te, eine Par­tei grün­den zu wol­len – auch das ein Feh­ler. Glück­li­cher­wei­se aber setz­te dann bei Pegi­da ein Umden­ken ein und Tat­ja­na Fes­ter­ling hat vor den zurück­lie­gen­den Land­tags­wah­len dazu auf­ge­ru­fen AfD zu wäh­len: ein Zei­chen der Einig­keit, das mit Sicher­heit nicht ohne Ein­fluß auf unse­ren Wahl­er­folg geblie­ben ist.

Ich war über die­se Wen­dung sehr erfreut und habe gehofft, daß die­ser Schritt in der Zeit dar­auf von der AfD beant­wor­tet wür­de, und selbst­ver­ständ­lich hät­te die AfD-Sach­sen dazu ein Vor­recht gehabt. Aber wenn die AfD-Sach­sen sich außer­stan­de zeigt, die aus­get­reck­te Hand zu ergrei­fen und die Grä­ben zu über­win­den, dann fin­de ich nichts Kri­tik­wür­di­ges dabei, eine Ein­la­dung von Pegi­da anzu­neh­men, zumal es sich um eine Bewe­gung mit über­re­gio­na­lem Anspruch han­delt. Abge­se­hen davon bestimmt immer noch Pegi­da, wer bei Pegi­da spricht. Jun­ge wirft mir nun vor, ich hät­te mei­nen Auf­tritt nicht abge­stimmt. Ich habe das ganz bewußt nicht getan, weil man unan­ge­mes­se­ne Beden­ken­trä­ge­rei nicht dadurch kuriert, daß man unge­recht­fer­tig­te Beden­ken dis­ku­tiert. Hin­ter­grund­po­li­tik hat zu den Ver­klem­mun­gen im Ver­hält­nis Pegi­da / AfD geführt, die­se Ver­klem­mun­gen las­sen sich also kaum durch Hin­ter­grund­po­li­tik lösen. Pegi­da stößt Ent­wick­lung an, Pegi­da löst Hem­mun­gen. Pegi­da erin­nert die AfD dar­an, woher sie kommt und hin­dert die AfD dar­an, im poli­ti­schen Betrieb abzu­he­ben und zu einer im schlech­ten Sin­ne eta­blier­ten Par­tei zu wer­den. Soviel dazu.

Und was mei­ne künf­ti­ge Oppo­si­ti­ons­ar­beit in Magedburg angeht, die Jun­ge sehr am Her­zen liegt, so kann er ganz unbe­sorgt sein: Zwi­schen sach­lich und fun­da­men­tal sehe ich kei­nen Wider­spruch, im Gegen­teil. Oppo­si­ti­on, die fun­da­men­tal ist, ohne sach­lich zu sein, ist hohl und erle­digt sich selbst; und Oppo­si­ti­on, die sach­lich ist, ohne fun­da­men­tal zu sein, ist lahm. Wah­re Sach­lich­keit darf nicht mit einer kom­pro­miß­le­ri­schen Grund­stim­mung ver­wech­selt wer­den. Je sach­li­cher unse­rer Angrif­fe, des­to mehr schmer­zen sie den Geg­ner. Mei­ne Oppo­si­ti­ons­ar­beit wird in die­sem Sin­ne sach­lich und fun­da­men­tal zugleich sein.

Hans-Tho­mas Tillschneider