14. Februar 2016

Ein Stück bürgerlicher Freiheit

Auf der Suche nach skan­dal­träch­ti­gen Punk­ten im Pro­gramm der AfD Sach­sen-Anhalt nimmt man sich seit neu­es­tem unse­rer Bil­dungs­po­li­tik an. Es wird auf Dau­er auch lang­wei­lig, nur dar­auf her­um­zu­rei­ten, daß wir die ein­zi­gen sind, die mit deut­scher Iden­ti­tät noch etwas anzu­fan­gen wis­sen und an der Sprach- und Kul­tur­ge­mein­schaft “deut­sches Volk” fest­hal­ten. Zuerst hat man getreu dem alten Mot­to “Vor­wärts immer, rück­wärts nim­mer” unse­re For­de­rung nach Rück­ab­wick­lung der Bolo­gna-Reform als “Rol­le rück­wärts” kri­ti­siert, jetzt ist unse­re For­de­rung nach Heim­un­ter­richt dran. So lang­sam ent­deckt das Estab­lish­ment, daß wir mehr zu bie­ten haben als Wider­stand gegen die Mas­sen­ein­wan­de­rung, aber rich­tig ver­stan­den haben sie es immer noch nicht. „AfD will Schul­pflicht abschaf­fen!“ titelt die Bildzeitung:

http://www.bild.de/politik/inland/alternative-fuer-deutschland/aufregung-um-hausunterricht-44528038.bild.html

“Schul­pflicht abschaf­fen” ist nicht nur ver­kürzt, es ist schlicht falsch. Wir wol­len den gegen die Eltern und Kin­der gerich­te­ten staat­li­chen Schul­zwang durch eine Bil­dungs­pflicht erset­zen, die auf Frei­heit und Ver­ant­wor­tung beruht. Eltern, die ihre Kin­der nicht in der staat­li­chen Schu­le unter­rich­ten las­sen wol­len, erhal­ten die Mög­lich­keit, ihre Kin­der pri­vat zu unter­rich­ten oder unter­rich­ten zu las­sen. Dabei soll in regel­mä­ßi­gen Abstän­den – zu den­ken wäre an etwa halb­jähr­li­che Prü­fun­gen – der Fort­schritt kon­trol­liert wer­den. Sobald erns­te Defi­zi­te erkenn­bar wer­den, erlischt das Recht auf Pri­vat­un­ter­richt und das Kind muß wie­der an die Schule.

Die Prü­fun­gen stel­len sicher, daß Eltern, die der Orga­ni­sa­ti­on des Pri­vat­un­ter­richts nicht gewach­sen sind, kei­nen Scha­den anrich­ten. Der staat­li­che Unter­richt aber wird dadurch nicht schlech­ter, daß eini­ge Kin­der nicht an ihm teil­neh­men, mög­li­cher­wei­se sogar bes­ser, weil auf die glei­che Zahl an Leh­rern nun weni­ger Schü­ler kom­men. Eltern, die so wohl­ha­bend sind, daß sie sich einen Hof­meis­ter hal­ten kön­nen, finan­zie­ren über die Steu­ern, die sie ent­rich­ten, auch das öffent­li­che Schul­we­sen mit, neh­men es aber nicht in Anspruch.

Dafür erhal­ten wohl­ha­ben­de Eltern die Mög­lich­keit, ihren Kin­dern mehr und bes­se­res zu bie­ten als das staat­li­che Pro­gramm. Ich erin­ne­re dar­an, daß Goe­the Pri­vat­un­ter­richt genos­sen hat. Der Leh­rer­ver­band kon­tert, daß kein Pri­vat­leh­rer ein gan­zes Leh­rer­kol­le­gi­um erset­zen kann, weil nie­mand mehr als drei Fächer so beherrscht, daß er sie auf Gym­na­si­al­ni­veau unter­rich­ten kann. Die­ses Argu­ment beruht auf einem fal­schen Bil­dungs­ver­ständ­nis, das in Bil­dung die Bewäl­ti­gung von Fak­ten­wis­sen sieht.

Bil­dung ist in ers­ter Linie die Her­aus­bil­dung metho­di­scher Kom­pe­ten­zen, Sprach­ge­brauch, auch Fremd­sprach­ge­brauch, mathe­ma­ti­sches Den­ken, ana­ly­ti­sches Den­ken und schließ­lich auch Per­sön­lich­keits­bil­dung. All das wird durch Bezug zu einem Men­tor bes­ser geför­dert als in einem Klas­sen­ver­band mit zwan­zig, drei­ßig und mehr Schü­lern. Und was die nack­te Fach­kom­pe­tenz angeht, so soll­te ein pro­mo­vier­ter Geis­tes­wis­sen­schaft­ler alle Geis­tes­wis­sen­schaf­ten auf Abitur­ni­veau unter­rich­ten kön­nen, ein pro­mo­vier­ter Natur­wis­sen­schaft­ler alle Natur­wis­sen­schaf­ten. Wenn die Fach­kom­pe­tenz ihres Stamm­hof­meis­ters an einer Stel­le nicht reicht, kön­nen Eltern kurz­zei­tig einen ande­ren Leh­rer anstel­len. So ent­stün­de ein ganz neu­er Arbeits­markt für Hochschulabsolventen.

Das Gan­ze ist viel­leicht ein eli­tä­res Kon­zept, aber was ist gegen Eli­ten­bil­dung ein­zu­wen­den, die der Mas­se nicht scha­det? Heim­un­ter­richt för­dert ein Bewußt­sein dafür, daß Bil­dung in der Fami­lie beginnt. Heim­un­ter­richt steht gegen das Anspruchs­den­ken, man kön­ne sei­ne Kin­der in einer staat­li­chen Schu­le abla­den und wür­de am Ende rund­um gebil­de­te Per­sön­lich­kei­ten her­aus­be­kom­men. Ohne eige­ne Anstren­gung der Eltern gelingt das auch auf staat­li­chen Schu­len nicht.

Es wäre ein Sze­na­rio denk­bar, bei dem Pri­vat­un­ter­richt in Kon­kur­renz zu Schul­un­ter­richt tritt, was bei­de Bil­dungs­for­men zu Höchst­leis­tun­gen anspornt. Ein stei­gen­der Anteil von Schü­lern in Pri­vat­un­ter­richt wäre ein Indi­ka­tor für die schlech­te Qua­li­tät von Schul­un­ter­richt, was den nöti­gen poli­ti­schen Druck auf­bau­en wür­de, um die Ver­hält­nis­se an den Schu­len zu ver­bes­sern. Die nach wie vor zen­tral abzu­le­gen­den Abitur­prü­fun­gen wür­den siche­ren Auf­schluß über die Qua­li­tät jeder Bil­dungs­form geben.

Was läßt sich dage­gen vor­brin­gen? Ein neid­vol­les „Alle sol­len es gleich schlecht haben!“, ein Bedürf­nis nach staat­li­cher Kon­trol­le, eine sozia­lis­ti­sche Idea­li­sie­rung des Kol­lek­tivs. Die eta­blier­ten Bil­dungs­po­li­ti­ker fürch­ten die Indok­tri­na­ti­on der Kin­der durch die Fami­lie – viel­leicht aber doch nur eine Erzie­hung zur Frei­heit und die feh­len­de Mög­lich­keit, das Kind staat­li­cher­seits zu indoktrinieren.

Aus der Dis­kus­si­on spricht viel Miß­trau­en gegen­über der Fami­lie. Die­ses Miß­trau­en soll­ten wir eher dem Staat ent­ge­gen­brin­gen. Das Argu­ment gegen den Heim­un­ter­richt, er las­se sich auch von radi­ka­len Mus­li­men und Koran­schu­len miß­brauchen, geht schließ­lich voll­kom­men an der Sache vor­bei. Koran­schu­len, an denen gegen unse­re Lebens­ord­nung agi­tiert wird, las­sen sich ein­fach ver­bie­ten, weil sie grund­ge­setz­wid­rig sind, und radi­ka­le Mus­li­me wer­den aus­ge­wie­sen. Was hat das mit Heim­un­ter­richt zu tun? Es gibt kein Argu­ment dage­gen, im Bil­dungs­we­sen ein Stück bür­ger­li­cher Frei­heit einzuführen.

Hans-Tho­mas Tillschneider