29. September 2016

“Wir lehnen das Gesellschaftsexperiment ‘Inklusion’ ab!”

29.09.16
6. Sitzungsperiode des Landtags von Sachsen-Anhalt

Eine Abrech­nung mit der Kenia-Koali­ti­on, die das Gesell­schafts­expe­ri­ment “Inklu­si­on” wei­ter vor­an­trei­ben will und des­halb die För­der­schu­len kaputt­spart. Ihr Bekennt­nis zum Erhal­ten der För­der­schu­len ist nicht ernst gemeint.

“Die Koali­ti­on for­dert von der Lan­des­re­gie­rung – basie­rend auf dem Koali­ti­ons­ver­trag – ein Kon­zept zur zukünf­ti­gen Gestal­tung von För­der­schu­len. Das Kon­zept soll auch die Klä­rung der Fra­ge nach der mög­li­chen Zusam­men­le­gung von För­der­schwer­punk­ten an einem Stand­ort beinhal­ten. Das erar­bei­te­te Kon­zept soll zunächst in den Aus­schüs­sen für Bil­dung und Kul­tur und für Arbeit, Sozia­les und Inte­gra­ti­on bis zum Ende des II. Quar­tals 2017 vor­ge­legt und erör­tert wer­den. Bis die Erar­bei­tung und Umset­zung abge­schlos­sen sind, kön­ne im Ein­zel­fall der Voll­zug von Maß­nah­men der Schul­ent­wick­lungs­pla­nung befris­tet aus­ge­setzt wer­den.” [Land­tag von Sach­sen-Anhalt]


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Transkript
Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD): Herr Prä­si­dent! Sehr geehr­te Damen und Her­ren! „Kon­zept zur zukünf­ti­gen Gestal­tung von För­der­schu­len“ – gin­ge es nur nach dem Titel des vor­lie­gen­den Antra­ges, könn­te man den­ken, hier wer­de ein kla­res Bekennt­nis zu den För­der­schu­len abge­legt, und das wäre in der Tat sehr zu begrüßen.Bei nähe­rem Hin­se­hen stellt sich jedoch her­aus, dass der Schein trügt. Sie schrei­ben zwar: „För­der­schu­len wer­den auch wei­ter­hin ein fes­ter und wich­ti­ger Bestand­teil unse­res Schul­sys­tems sein“, jedoch erklä­ren sie im sel­ben Atem­zug, dass Sie die Inklu­si­ons­quo­te ste­tig erhö­hen wol­len. Sie sehen es gern, dass behin­der­te Kin­der mehr und mehr an nor­ma­len Schu­len unter­rich­tet wer­den, und Sie neh­men in Kauf, dass dadurch die För­der­schu­len an die Gren­zen ihrer Bestands­fä­hig­keit geraten.Außerdem wol­len Sie, dass För­der­schul­leh­rer, anders als bis­lang, künf­tig auch an Regel­schu­len ein­ge­setzt wer­den kön­nen. Ich fra­ge mich, wie kann man einer­seits die För­der­schu­len erhal­ten wol­len, wenn man ande­rer­seits erklärt, die Inklu­si­ons­quo­te stei­gern zu wol­len, wenn man Eltern ermun­tert, ihre behin­der­ten Kin­der an Regel­schu­len zu schi­cken und wenn man den Leh­rern an För­der­schu­len den Weg in die Regel­schu­le öffnet.Die Wahr­heit ist: Sie wol­len die För­der­schu­len zwar nicht von heu­te auf mor­gen abschaf­fen, es geht Ihnen aber ganz klar dar­um, das För­der­schul­we­sen zu schlei­fen, um es lang­fris­tig in einem inklu­si­ven Schul­we­sen auf­ge­hen zu las­sen. Nichts ande­res ist die Stoß­rich­tung Ihres Antrages.(Swen Knö­chel, DIE LINKE: Kor­rekt! – Zuruf von Cor­ne­lia Lüd­de­mann, GRÜNE)Genau die­sem Ansin­nen ertei­len wir eine kla­re Absa­ge. Die AfD-Frak­ti­on bekennt sich zu Erhalt und Aus­bau des För­der­schul­we­sens und spricht sich in unmiss­ver­ständ­li­cher Wei­se gegen das Gesell­schafts­expe­ri­ment Inklu­si­on aus.(Beifall bei der AfD)Einzig und allein die För­der­schu­len kön­nen gewähr­leis­ten, dass behin­der­te Kin­der opti­mal betreut wer­den. Nur an För­der­schu­len küm­mern sich spe­zi­ell dafür aus­ge­bil­de­te Son­der­schul­päd­ago­gen, abge­stimmt auf die unter­schied­li­chen indi­vi­du­el­len Behin­de­run­gen, die gan­ze Unter­richts­zeit um die Kin­der. För­der­schu­len sind nüch­tern und objek­tiv betrach­tet das Bes­te, was wir für behin­der­te Kin­der tun können.(Beifall bei der AfD)Da die För­der­schu­le aber mit dem Stig­ma behaf­tet ist, noch unter der Haupt­schu­le die schlech­tes­te Schul­form zu sein, den­ken Eltern, sie wür­den ihrem behin­der­ten Kind etwas Gutes tun, wenn sie dafür sor­gen, dass es an einer nor­ma­len Schu­le unter­rich­tet wird.(Cornelia Lüd­de­mann, GRÜNE: Haben Sie das den Eltern drau­ßen vor dem Land­tag auch so gesagt?)Inklusion ver­spricht ihnen, die Behin­de­rung ihres Kin­des zum Ver­schwin­den zu brin­gen. Ein eben­so ver­füh­re­ri­sches wie trü­ge­ri­sches Heils­ver­spre­chen. Hier täte Auf­klä­rung Not.Anstatt die Hoff­nun­gen der Eltern behin­der­ter Kin­der für das Gesell­schafts­expe­ri­ment Inklu­si­on aus­zu­nut­zen, soll­ten wir den Eltern ver­deut­li­chen, dass eine gute För­der­schu­le das Bes­te für ihr Kind ist und dass kei­ne Poli­tik die­ser Welt die Behin­de­rung ihres Kin­des hei­len kann. Die Gesell­schaft ist in der Pflicht, Behin­der­ten das Leben so leicht wie mög­lich zu machen. Die AfD-Frak­ti­on bekennt sich zur Soli­da­ri­tät mit Behin­der­ten. Genau des­halb sind wir dage­gen, sie in Schu­len für Nor­mal­be­gab­te zu stecken.Von Inklu­si­on pro­fi­tiert nie­mand. Die behin­der­ten Kin­der, die statt von geschul­ten Son­der­päd­ago­gen, von Leh­rern unter­rich­tet wer­den, die dafür nicht ansatz­wei­se aus­ge­bil­det sind, pro­fi­tie­ren nicht. Die nor­mal begab­ten Kin­der pro­fi­tie­ren auch nicht, denn die behin­der­ten Kin­der wer­den den Unter­richt auf­hal­ten und dafür sor­gen, dass das Niveau sinkt. (Moni­ka Hoh­mann, DIE LINKE: Oh, das ist ja furchtbar!)Die Son­der­schul­päd­ago­gen, die nun von Klas­se zu Klas­se und von Schu­le zu Schu­le pen­deln, um zwi­schen Tür und Angel den dort ver­teil­ten behin­der­ten Kin­dern ein paar Betreu­ungs­stun­den zu ver­ab­rei­chen, pro­fi­tie­ren von die­ser Situa­ti­on eben­so nicht.(Zurufe von Moni­ka Hoh­mann, DIE LINKE)Und die nor­ma­len Leh­rer, die ver­su­chen müs­sen, trotz allem noch einen halb­wegs gere­gel­ten Unter­richts­ab­lauf auf­recht­zu­er­hal­ten, wer­den überfordert.(Beifall bei der AfD – Moni­ka Hoh­mann, DIE LINKE: Furchtbar!)Weshalb das Gan­ze? Ist das Gan­ze ein ideo­lo­gi­scher Selbst­läu­fer? Oder ver­birgt sich hin­ter dem Inklu­si­ons­zir­kus viel­leicht doch eine neo­li­be­ra­le Agen­da, wie der Pro­fes­sor für Lin­gu­is­tik Cle­mens Knob­loch ver­mu­tet? – Knob­loch argu­men­tiert in etwa so: Inklu­si­on soll ein­mal die För­der­schu­le über­flüs­sig machen und ermög­licht so dem Staat, sich einer kost­spie­li­gen Auf­ga­be zu ent­le­di­gen. Sodann trägt Inklu­si­on dazu bei, dass sich der Ruf des öffent­li­chen Schul­we­sens wei­ter verschlechtert.Während die Eltern behin­der­ter Kin­der ver­lockt wer­den, ihr Kind in eine Regel­schu­le zu schi­cken und dadurch den Inklu­si­ons­pro­zess vor­an­zu­trei­ben, wer­den all die­je­ni­gen Eltern nor­mal begab­ter Kin­der, die sich das leis­ten kön­nen, ihre Kin­der aus der staat­li­chen Schu­le neh­men und auf Pri­vat­schu­len schi­cken. Am Ende steht ein gründ­lich rui­nier­tes öffent­li­ches Schul­we­sen. War­um nicht eine Schu­le für alle, und zwar für alle, die sich nichts Bes­se­res leis­ten können?Ich hal­te das für durch­aus plau­si­bel, aber auch falls ent­schei­den­de Akteu­re kei­ne sol­che Absicht mit der Inklu­si­on ver­bin­den soll­ten, gilt: Die Aus­wir­kun­gen von Inklu­si­on sind all­sei­tig destruk­tiv. Was wir brau­chen, ist kein För­der­schul­kon­zept, das sich halb­her­zig zu den För­der­schu­len bekennt, im Übri­gen aber erklärt, die Inklu­si­on vor­an­trei­ben zu wol­len. Was wir brau­chen, ist ein eben­so gut aus­fi­nan­zier­tes wie aus­dif­fe­ren­zier­tes mehr­glied­ri­ges Schul­we­sen mit star­ken För­der­schu­len für alle, die beson­de­re För­de­rung benötigen.Ihr Antrag weist in eine ande­re Rich­tung und des­halb leh­nen wir den Antrag der Koali­ti­ons­frak­tio­nen ab. Den Antrag der LINKEN leh­nen wir sowie­so ab; denn er geht kom­plett in die fal­sche Richtung.(Beifall bei der AfD)Vizepräsident Wulf Gal­lert: Herr Till­schnei­der, Frau Hoh­mann hat eine Inter­ven­ti­on bzw. eine Fra­ge. – Frau Hoh­mann, Sie haben das Wort.Monika Hoh­mann (DIE LINKE): Ich weiß nicht, inwie­weit Sie sich über­haupt im Bil­dungs­sys­tem auskennen.(Lachen bei der AfD)Ich habe das Glück gehabt, dass ich in der letz­ten Legis­la­tur­pe­ri­ode mit dem Bil­dungs­aus­schuss eine Dele­ga­ti­ons­rei­se nach Süd­ti­rol machen konn­te. Und in Süd­ti­rol gibt es nicht eine ein­zi­ge För­der­schu­le. Fakt eins.Zweitens. Als die Pisa-Ergeb­nis­se ver­öf­fent­licht wor­den sind, waren die Ergeb­nis­se in Süd­ti­rol im obe­ren Drit­tel, wäh­rend wir wei­ter hin­ten waren. Wie erklä­ren Sie sich, dass es dort, in einem ande­ren Land, wo es kei­ne För­der­schu­len gibt, höhe­re Bil­dungs­er­geb­nis­se gab als in Deutsch­land mit För­der­schu­len? Denn nach Ihrer Rede heißt es, wir müs­sen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler sor­tie­ren, sonst haben wir kei­ne ver­nünf­ti­gen Ergeb­nis­se. Dazu wür­de ich gern Ihre Erklä­rung wissen.Vizepräsident Wulf Gal­lert: Herr Till­schnei­der, Sie haben das Wort. Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD): Wis­sen Sie, was soll man dazu sagen? Süd­ti­rol ist nicht Sach­sen-Anhalt. Wenn Sie Ein­zel­bei­spie­le her­aus­grei­fen, kön­nen Sie alles begrün­den, weil es für alles irgend­wo auf der Welt, ein Bei­spiel gibt, wo etwas funktioniert.Monika Hoh­mann (DIE LINKE): Sie haben es eben ver­all­ge­mei­nert, für alle. (Zuruf von Cor­ne­lia Lüd­de­mann, DIE LINKE)Vizepräsident Wulf Gal­lert: Das ist offen­sicht­lich die Ant­wort von Herrn Till­schnei­der auf die Fra­ge von Frau Hoh­mann gewe­sen. – Gibt es noch wei­te­re Wort­mel­dun­gen? – Die haben wir nicht. So, wie ich es sehe, kön­nen wir in der Dis­kus­si­on fortfahren.