30. September 2016

GLEICHSTELLUNG = CHANCENUNGERECHTIGKEIT!

30.09.16
6. Sitzungsperiode des Landtags von Sachsen-Anhalt

GLEICHSTELLUNG = CHANCENUNGERECHTIGKEIT!

“Die Frak­ti­on DIE LINKE ist zu der Erkennt­nis gelangt, dass an den Hoch­schu­len in Sach­sen-Anhalt Frau­en in wis­sen­schaft­li­chen Posi­tio­nen noch unter­re­prä­sen­tiert sei­en. Die gleich­be­rech­tig­te Teil­ha­be von Frau­en und Män­nern in Stu­di­um, For­schung, Leh­re und in den Füh­rungs­po­si­tio­nen der Hoch­schul­ver­wal­tung sei jedoch eine Fra­ge der Chan­cen­ge­rech­tig­keit und des gesell­schaft­li­chen Fort­schritts. Daher soll die Lan­des­re­gie­rung mit­tels Antrag gebe­ten wer­den, bei einer ver­bind­li­chen Umset­zung des Kas­ka­den­mo­dells die Hoch­schu­len des Lan­des zu unter­stüt­zen, um den Anteil von Frau­en und Män­nern wei­ter anzu­glei­chen.” [Land­tag von Sach­sen-Anhalt]


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Transkript
Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD): Herr Prä­si­dent! Sehr geehr­te Damen und Her­ren! Ich bin den Koali­ti­ons­frak­tio­nen dank­bar dafür, dass Sie den vor­lie­gen­den Antrag „Gleich­stel­lung an Hoch­schu­len“ über­schrie­ben haben und nicht etwa Gleich­be­rech­ti­gung. Das erleich­tert die Dis­kus­si­on und trägt zur Klä­rung der Begrif­fe bei. Denn mit Gleich­be­rech­ti­gung, wie sie in Arti­kel 3 des Grund­ge­set­zes fest­ge­schrie­ben ist, hat das, was Sie for­dern, nicht das Gerings­te zu tun.Gleichberechtigung heißt, dass Män­ner und Frau­en die glei­chen Rech­te und Chan­cen haben, dass sie frei sind, sich für Beru­fe ihrer Wahl zu ent­schei­den, und dass bei Ver­ga­be von knap­pen Posi­tio­nen ein­zig und allein die Leis­tung dar­über ent­schei­det, wer zum Zuge kommt, nicht das Geschlecht.(Beifall bei der AfD)Sieht man ein­mal vom Beruf des katho­li­schen Pries­ters ab, sind Män­ner und Frau­en in unse­rem Land schon seit Jahr­zehn­ten gleich­be­rech­tigt, auch und gera­de an der Uni­ver­si­tät. Was Sie wol­len, ist etwas ganz ande­res. Sie wol­len die Uni­ver­si­tä­ten auf das soge­nann­te Kas­ka­den­mo­dell ver­pflich­ten. Kas­ka­den­mo­dell heißt: Der Frau­en­an­teil auf jeder Kar­rie­re­stu­fe in der aka­de­mi­schen Lauf­bahn soll dem Anteil der nächst­un­te­ren Stu­fe ange­passt wer­den. Wenn also der Anteil der Frau­en unter den Absol­ven­ten in einem Fach bei, sagen wir, 40 % liegt und bei den Pro­mo­ven­den bei 30 %, muss der Anteil der Frau­en unter den Pro­mo­ven­den auf Teu­fel komm raus auch auf 40 % erhöht wer­den. Sie igno­rie­ren damit die freie Ent­schei­dung von Frau­en, ihre aka­de­mi­sche Kar­rie­re nicht bis zur letz­ten Stu­fe trei­ben zu wol­len. (Zuru­fe von der LINKEN)Ich fin­de, wenn Frau­en sich nach Besei­ti­gung aller recht­li­chen Benach­tei­li­gun­gen im Durch­schnitt häu­fi­ger als Män­ner für die Fami­lie ent­schei­den, dann ist das halt so und dann hat die Poli­tik das hinzunehmen.(Beifall bei der AfD – Swen Knö­chel, DIE LINKE: Wenn dem so wäre!)Wir respek­tie­ren es, wenn Frau­en sich für die Kar­rie­re ent­schei­den. Wir müs­sen es aber genau­so respek­tie­ren, wenn Frau­en sich aus frei­en Stü­cken für Fami­lie entscheiden.(Birke Bull, DIE LINKE: Das machen wir doch!)Leider   und das kön­nen Sie nicht akzep­tie­ren   akzep­tie­ren Sie die­se Lebens­wirk­lich­keit nicht,(Birke Bull, DIE LINKE: Real­sa­ti­re! – Dr. Kat­ja Päh­le, SPD: Es geht beides!)und damit sind gra­vie­ren­de Fol­ge­wir­kun­gen für das aka­de­mi­sche Leben verbunden.Ich will das an einem Bei­spiel ver­deut­li­chen. Gehen wir von irgend­ei­nem Fach aus, sagen wir Che­mie, mit 100 Absol­ven­ten. 60 von die­sen Absol­ven­ten sei­en Män­ner, 40 Frau­en. Für die­se Absol­ven­ten ste­hen 20 Pro­mo­ti­ons­stel­len zur Ver­fü­gung, sagen wir. Das heißt, im Schnitt kann jeder Fünf­te das Stu­di­um mit der Pro­mo­ti­on fort­set­zen, wenn er will. Will man die­ses 60:40-Verhältnis fort­schrei­ben, dann steht völ­lig unab­hän­gig von der Bewer­ber­la­ge fest, dass zwölf von die­sen 20 Pro­mo­ti­ons­stel­len mit Män­nern besetzt wer­den müs­sen, acht mit Frau­en. Wenn nun von unse­ren 60 männ­li­chen Absol­ven­ten, sagen wir, ein Drit­tel, also 20, ihr Stu­di­um mit einer Pro­mo­ti­on fort­set­zen wol­len, und von den 40 Frau­en, sagen wir, ein Vier­tel, also zehn, dann kon­kur­rie­ren 20 Män­ner um zwölf Stel­len und zehn Frau­en um acht Pro­mo­ti­ons­stel­len. Von den Frau­en wird fast jede Pro­mo­ti­ons­wil­li­ge eine Stel­le erhal­ten. Von den Män­nern bleibt fast jeder zwei­te Pro­mo­ti­ons­wil­li­ge ohne Stel­le. Die Kon­kur­renz unter den Män­nern ist fast dop­pelt so hoch. Was hat das mit Gleich­be­rech­ti­gung zu tun?(Beifall bei der AfD)Sie sagen in Ihrem Antrag, es gin­ge Ihnen um Chan­cen­ge­rech­tig­keit und gesell­schaft­li­chen Fort­schritt. Das ist falsch. Ihre Poli­tik führt zu einer him­mel­schrei­en­den Chancenungerechtigkeit.(Zustimmung bei der AfD)Und da man von Fort­schritt in aller Regel nur dann spricht, wenn irgend­was bes­ser wird, hat das, was Sie tun, mit Fort­schritt auch nicht das Gerings­te zu tun. Sie pro­du­zie­ren unter den Män­nern sozia­len Stress, machen es den kar­rie­rewil­li­gen Frau­en zu leicht und gefähr­den das aka­de­mi­sche Niveau. Und wozu das alles? Ihr Antrag selbst weist dar­auf hin: Zusätz­lich zu dem Kas­ka­den­mo­dell wol­len Sie die Gen­der-Stu­di­en beson­ders för­dern. Das ist aus Ihrer Sicht kon­se­quent, denn die Gen­der-Stu­di­en lie­fern die ideo­lo­gi­sche Begleit­mu­sik zu Ihrer Gleichstellungspolitik.Nach dem Kern­dog­ma des Gen­de­ris­mus ist das sozia­le Geschlecht ein Zwangs­sys­tem, von dem wir uns befrei­en müs­sen. Eben des­halb darf es kei­ne Beru­fe mehr geben, die schwer­punkt­mä­ßig von Män­nern, und Beru­fe, die schwer­punkt­mä­ßig von Frau­en gewählt wer­den. Die Geschlech­ter­rol­len wer­den so um ein Bestim­mungs­feld ärmer und Sie kom­men Ihrer geschlechts­lo­sen Wahn­sinns­welt um einen Schritt näher.(Beifall bei der AfD – Zuruf von Swen Knö­chel, DIE LINKE)Ich sage Ihnen Fol­gen­des: Nicht die Geschlech­ter­rol­len sind ein Zwangs­sys­tem, von dem wir uns eman­zi­pie­ren müs­sen, son­dern Ihre Gen­der-Poli­tik ist ein Zwangssystem.(Beifall bei der AfD)Wir, die AfD, sind ange­tre­ten, uns davon gründ­lich zu emanzipieren.(Beifall bei der AfD)Was wir brau­chen, ist kein Kas­ka­den­mo­dell und erst recht kei­ne Gen­der-Pro­fes­su­ren. Was wir brauch­ten, wäre die sofor­ti­ge Umwid­mung aller Gen­der-Pro­fes­su­ren in Pro­fes­su­ren für ordent­li­che Universitätsfächer.(Dr. Kat­ja Päh­le, SPD: Oh!)Die Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­ten, die nichts Bes­se­res zu tun haben, als zu ver­hin­dern, dass Män­ner trotz bes­ter Qua­li­fi­ka­ti­on auf Pro­fes­so­ren­stel­len beru­fen werden,(Lachen bei der SPD)diese Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­ten, deren Kom­pe­ten­zen Sie noch aus­wei­ten wol­len   Gott bewah­re!  , gehö­ren ein­fach abgeschafft.(Beifall bei der AfD)Das wäre jeden­falls ein Schritt hin zur Wie­der­her­stel­lung ech­ter Gleich­be­rech­ti­gung an den Universitäten.(Zuruf von Swen Knö­chel, DIE LINKE)Ich bin übri­gens nicht der Ein­zi­ge, der das so sieht. Ich erlau­be mir abschlie­ßend auf die von Pro­fes­sor Buch­holz initi­ier­te Frank­fur­ter Erklä­rung zur Gleich­stel­lung zu ver­wei­sen, die ich selbst unter­schrie­ben habe und deren Zeich­nung ich nur emp­feh­len kann. Selbst­ver­ständ­lich leh­nen wir Ihren Antrag ab.(Beifall bei der AfD   Swen Knö­chel, DIE LINKE: Sicher nur Män­ner, oder?)Vizepräsident Wulf Gal­lert: Ich sehe zwei Nach­fra­gen, zum einen vom Kol­le­gen Krull von der CDU-Frak­ti­on. Herr Krull, Sie haben das Wort, und danach Frau Kolb-Janssen.Tobias Krull (CDU): Kei­ne wirk­li­che Nach­fra­ge, nur ein Hin­weis. Mei­ne Frau und ich haben zwei gemein­sa­me Kin­der. Mei­ne Frau hat mit sum­ma cum lau­de pro­mo­viert und habi­li­tiert gera­de. Fami­lie und wis­sen­schaft­li­che Kar­rie­re schlie­ßen sich aus­drück­lich nicht aus.(Dr. Kat­ja Päh­le, SPD: Vie­len Dank! – Zustim­mung bei der LINKEN – Tobi­as Rausch, AfD: Das hat doch kei­ner gesagt!)Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD): Dage­gen sage ich nichts.Vizepräsident Wulf Gal­lert: Frau Kolb-Jans­sen, bit­te, Sie haben das Wort.(Dr. Kat­ja Päh­le, SPD: Geben Sie es zu!)Prof. Dr. Ange­la Kolb-Jans­sen (SPD): Ich bin eine Frau. Ich war auch allein­er­zie­hend. Ich bin Pro­fes­so­rin, ich weiß, wovon ich rede. Herr Till­schnei­der, mit wel­chem Recht unter­stel­len Sie Frau­en, dass sie sich für Fami­lie ent­schei­den und gegen eine Kar­rie­re? Hin­ter­grund ist, wir müs­sen die Bedin­gun­gen gera­de an den Hoch­schu­len so gestal­ten, dass es Frau­en mög­lich ist, sich für Kar­rie­re ent­schei­den zu kön­nen und Kin­der zu haben. – Danke.(Beifall bei der SPD, bei den LINKEN und bei den GRÜNEN – Tobi­as Rausch, AfD: Das hat kei­ner gesagt! Mei­ne Güte!)Vizepräsident Wulf Gal­lert: Herr Till­schnei­der, Sie haben die Chan­ce zu antworten.Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD): Ihr Ein­wand geht fehl. Ich unter­stel­le Frau­en gar nichts. Ich erwar­te auch über­haupt gar nichts.(Cornelia Lüd­de­mann, GRÜNE: Das glau­be ich!)Ich lege nur Wert auf Freiheit.(Unruhe – André Pog­gen­burg, AfD: Ruhe!)Mittlerweile ist es so, dass Frau­en sich recht­fer­ti­gen müs­sen, wenn Sie sich gegen Kar­rie­re ent­schei­den. So sind die gesell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se mitt­ler­wei­le. Ich tre­te nur ein für die Frei­heit. Frei­heit heißt, dass die Poli­tik sich aus die­sem Bereich heraushält.(Beifall bei der AfD – Tobi­as Rausch, AfD: Jawohl!)