2. Februar 2017

Wir brauchen eine bildungspolitische Wende um 180 Grad!

02.02.17
10. Sitzungsperiode des Landtags von Sachsen-Anhalt

Wir brau­chen eine bil­dungs­po­li­ti­sche Wen­de um 180 Grad 

Erwi­de­rung auf die Regie­rungs­er­klä­rung von Minis­ter Tull­ner zur Bil­dungs­po­li­tik, Land­tag von Sach­sen-Anhalt, 2.2.2016

“a) Bil­dungs­mi­nis­ter Mar­co Tull­ner (CDU) wird in der ers­ten Sit­zung des Jah­res 2017 eine Regie­rungs­er­klä­rung mit dem Titel „Gute Unter­richts­ver­sor­gung als Kern guter Bil­dungs­po­li­tik“ abgeben.
b) Im Anschluss an die Regie­rungs­er­klä­rung von Bil­dungs­mi­nis­ter Mar­co Tull­ner haben die Abge­ord­ne­ten der fünf Land­tags­frak­tio­nen die Mög­lich­keit, Stel­lung zu den Aus­sa­gen des Minis­ters zu bezie­hen und eige­ne Impul­se zur The­ma­tik zu geben.” [Land­tag von Sach­sen-Anhalt]


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Transkript

Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD):

Frau Prä­si­den­tin! Sehr geehr­te Damen und Her­ren! Minis­ter Tull­ner hält die Unter­richts­ver­sor­gung für den Kern der Bil­dungs­po­li­tik. Das ist in etwa so, als wür­den wir sagen, die Ver­sor­gung mit sau­be­rem Trink­was­ser sei der Kern der Krankenhausmedizin.

Sicher­lich – ohne Unter­richts­ver­sor­gung funk­tio­niert kei­ne Bil­dungs­po­li­tik, wie auch immer sie ange­legt sei. Alber allein die blo­ße Unter­richts­ver­sor­gung garan­tiert noch lan­ge nicht, dass Bil­dung gelingt.

(Bei­fall bei der AfD)

Die Unter­richts­ver­sor­gung ist nicht der Kern, son­dern der äuße­re Rah­men der Bil­dungs­po­li­tik. Die Unter­richts­ver­sor­gung ist also, anders gesagt, zwar eine not­wen­di­ge, aber noch lan­ge, lan­ge kei­ne hin­rei­chen­de Bedin­gung für gute Bildungspolitik.

Ich glau­be der Regie­rung ja, dass sie alles in ihrer Macht Ste­hen­de tut, um die Lücken in der Unter­richts­ver­sor­gung zu schlie­ßen. Die Situa­ti­on ist nicht ein­fach. Wir alle wis­sen, dass in den nächs­ten Jah­ren vie­le Leh­rer in Ren­te gehen und dass aus den Lehr­amts­stu­di­en­gän­gen nicht genug Absol­ven­ten nach­kom­men. Wir ent­hal­ten uns des­halb der kopf­lo­sen For­de­rung nach immer noch mehr Leh­rern. Das über­las­sen wir getrost der LINKS-Fraktion.

(Hen­drik Lan­ge, DIE LINKE: Natürlich!)

Es wäre ja ein gro­ßer Feh­ler, wür­den wir jetzt in Zei­ten des Leh­rer­man­gels die Schleu­sen öff­nen und auch Bewer­ber mit frag­wür­di­ger Qua­li­fi­ka­ti­on in hoher Zahl dau­er­haft ein­stel­len, sodass wir dann in fol­gen­den Jah­ren, wenn hof­fent­lich wie­der mehr Absol­ven­ten eines Lehr­amts­stu­di­ums an die Schu­len kom­men, kei­ne Spiel­räu­me mehr haben, die­se Leh­rer einzustellen.

Es bedarf hier­bei einer Abwä­gung mit Augen­maß. Die Schu­le muss für Quer­ein­stei­ger geöff­net wer­den. Anders geht es nicht. Dabei ist aber strengs­tens auf die Qua­li­fi­ka­ti­on zu ach­ten. Und der Quer­ein­stei­ger darf nicht zum Regel­fall wer­den. Die­se Abwä­gung traue ich Minis­ter Tull­ner zu. Zusätz­lich zu den bereits ergrif­fe­nen Maß­nah­men soll­te die Regie­rung, wie in ande­ren Bun­des­län­dern, viel­leicht noch ver­stärkt pen­sio­nier­te Leh­rer reak­ti­vie­ren. Die alten, erfah­re­nen Leh­rer sind oft noch die besten.

Aber auch das wür­de an dem Pro­blem so schnell nichts Grund­le­gen­des ändern. Dass die Regie­rung auf die­sem Feld han­delt, traue ich ihr zu. Was ich ihr aller­dings nicht zutraue – dafür gibt es die AfD – ist, dass sie die­se tech­no­kra­ti­sche Per­spek­ti­ve auch ein­mal hin­ter­fragt, die tie­fe­re Kri­se des Bil­dungs­sys­tems erkennt und die Ursa­chen die­ser Kri­se angeht.

(Bei­fall bei der AfD)

Auch wenn wir 1 000 ord­nungs­ge­mäß aus­ge­bil­de­te Leh­rer aus dem Hut zau­bern und sofort ein­stel­len wür­den, auch wenn eine Unter­richts­ver­sor­gung von 104, 105 oder 106 % hät­ten, auch wenn in Sach­sen-Anhalt kei­ne ein­zi­ge Schu­le mehr geschlos­sen wer­den wür­de, auch dann wäre unter den gege­be­nen Umstän­den eine gute Bil­dung nicht garantiert.

An den tie­fen struk­tu­rel­len Umstän­den unse­res Bil­dungs­sys­tem hät­te sich dadurch nicht das Gerings­te geän­dert. Das Kern­pro­blem unse­res Bil­dungs­sys­tems ist nicht die man­geln­de Unter­richts­ver­sor­gung. Das Kern­pro­blem ist, dass die Kin­der nicht mehr aus­rei­chend gebil­det wer­den. Das wie­der­um liegt nicht in ers­ter Linie am Unter­richts­aus­fall, son­dern es liegt dar­an, dass auch und gera­de der Unter­richt, der statt­fin­det, immer weni­ger ausrichtet.

Der Lan­des­re­gie­rung ist nicht vor­zu­wer­fen, dass sie kei­ne Anstren­gun­gen unter­nimmt, die Unter­richts­ver­sor­gung zu ver­bes­sern. Ihr ist vorzuwerfen,dass sie glaubt, mit der Unter­richts­ver­sor­gung sei es getan und das eigent­li­che Pro­blem gar nicht begrif­fen hat.

(Bei­fall bei der AfD)

Es ist ein Irr­glau­be, wenn man meint, ein­fach nur mehr Leh­rer oder womög­lich mehr tech­ni­scher Schnick­schnack im Klas­sen­zim­mer wür­den die Kri­se des Bil­dungs­sys­tems lösen. Der Nürn­ber­ger Trich­ter ist noch nicht erfun­den, aber eini­ge Bil­dungs­po­li­ti­ker schei­nen zu glau­ben, dass sich inves­tier­tes Geld unmit­tel­bar in einem geho­be­nen Bil­dungs­ni­veau nie­der­schlägt. Wer so denkt, der ver­wech­selt Quan­ti­tät mit Qualität.

Ich sage noch­mals: Die wah­re Kri­se des Bil­dungs­sys­tems ist kei­ne Kri­se der Finan­zie­rung und der Unter­richts­ver­sor­gung, son­dern eine Kri­se der Men­ta­li­tät. Es fehlt in aller­ers­ter Linie am Wil­len zur Leis­tung. Es fehlt am Wil­len zum Wett­streit. Man über­frach­tet die Schu­le mit Auf­ga­ben, die kei­ne schu­li­schen sind. Man ver­mit­telt den Schü­lern kei­ne kla­ren Begrif­fe von Pflicht und Dis­zi­plin und man hat ver­ges­sen, was Bil­dung eigent­lich bedeutet.

Schon seit Jahr­zehn­ten sin­ken auf allen Ebe­nen die Maß­stä­be. Viel zu vie­le Abitu­ri­en­ten sind alles ande­re als hoch­schul­reif. Der Real­schul­ab­schluss qua­li­fi­ziert in vie­len Fäl­len nicht mehr zur Auf­nah­me einer Berufs­aus­bil­dung und der Haupt­schul­ab­schluss ist oft nicht mehr als ein Akt letz­ter päd­ago­gi­scher Gnade.

(Tobi­as Rausch, AfD, lacht)

Das, wer­te Kol­le­gen, ist das Pro­blem unse­res Bildungswesens.

(Bei­fall bei der AfD)

Es ist ein Armuts­zeug­nis für die eta­blier­ten Par­tei­en, dass wir uns von Inte­gra­ti­on über Inklu­si­on und Digi­ta­li­sie­rung bis hin zur Schul­so­zi­al­ar­beit in die­sem Haus schon lang und breit über alles Mög­li­che unter­hal­ten haben, nur nicht über die­ses eine Pro­blem. Dabei ist es das Haupt- und Kern­pro­blem des Bildungswesens.

(Bei­fall bei der AfD – Tobi­as Rausch, AfD: Richtig!)

Was wir brau­chen, ist nicht mehr und nicht weni­ger als eine bil­dungs­po­li­ti­sche Wen­de um 180 Grad.

(Unru­he bei der LINKEN)

Ich will Ihnen nun dar­le­gen, was unse­rer Auf­fas­sung nach der Kern einer guten Bil­dungs­po­li­tik wäre.

(Bir­ke Bull-Bisch­off, DIE LINKE: Ein Rohr­stock, neh­me ich an!)

Zual­ler­erst müs­sen wir dem ago­na­len Prin­zip wie­der Gel­tung ver­schaf­fen. Der Wett­streit, das Rin­gen um her­aus­ra­gen­de Leis­tun­gen müs­sen unse­re Schü­ler besee­len. Wir müs­sen der Jugend Lust auf Leis­tung machen. Wir müs­sen den­je­ni­gen, der viel erreicht hat, ehren, und den­je­ni­gen, der weni­ger erreicht hat, anspor­nen, hart an sich zu arbei­ten. Wir müs­sen den Ehr­geiz der Jugend wecken. Das heißt kon­kret: Schluss mit dem Marsch ins Ein­heits­schul­we­sen, zurück zu dem bewähr­ten drei­glied­ri­gen Schul­sys­tem aus Haupt­schu­le, Real­schu­le und Gymnasium, 

(Bei­fall bei der AfD – Tobi­as Rausch, AfD: Jawohl!)

dann Wie­der­ein­füh­rung der ver­bind­li­chen Grund­schulemp­feh­lung, wobei in kei­nem Fall mehr als das bes­te Vier­tel eines Jahr­gangs das Gym­na­si­um besu­chen sollte.

(Zustim­mung bei der AfD)

Es ist ein sozi­al­de­mo­kra­ti­scher Fehl­schluss zu mei­nen, wenn wir allen das Abitur hin­ter­her­schmei­ßen wür­den, dann wür­de hier der gro­ße Mas­sen­wohl­stand ausbrechen.

(Bei­fall bei der AfD)

Sta­tis­ti­ken besa­gen zwar, dass Abitu­ri­en­ten im Schnitt mehr ver­die­nen als jemand, der kein Abitur hat. Die­se Sta­tis­ti­ken bezie­hen sich aber auf die Ver­gan­gen­heit, als der Anteil der Abitu­ri­en­ten gerin­ger war, als es also ein wert­vol­ler Abschluss war. Wenn wir aber nun dafür sor­gen, dass 50 % und womög­lich noch mehr eines Jahr­gangs Abitur machen, dann ist das Abitur kein wert­vol­ler Abschluss mehr und wer­den Abitu­ri­en­ten im Schnitt auch nicht mehr ver­die­nen als ande­re. Es ist im Grun­de nicht anders als beim Geld: Infla­ti­on erzeugt nie Wer­te, Infla­ti­on ver­nich­tet Werte.

(Bei­fall bei der AfD)

Das aber will der durch­schnitt­li­che Sozi­al­de­mo­krat nicht ver­ste­hen, ganz gleich ob er nun ein SPD- oder CDU-Par­tei­buch mit sich herumträgt.

(Frank Scheu­rell, CDU: Jetzt ist es aber gut!)

Wir müs­sen den Aka­de­mi­sie­rungs­wahn über­win­den und gleich­zei­tig die Anfor­de­run­gen in allen Schul­for­men anhe­ben. Das Gym­na­si­um berei­tet auf das aka­de­mi­sche Stu­di­um vor, und sonst nichts. Die Haupt­schu­le ver­mit­telt eine soli­de Grund­bil­dung, die zur Absol­vie­rung einer hand­werk­li­chen Leh­re befä­higt. Die Real­schu­le zielt auf eine erwei­ter­te Grund­bil­dung ab und berei­tet auf Berufs­aus­bil­dung mit höhe­ren Anfor­de­run­gen vor. Der Haupt­schul­ab­sol­vent, wie ich ihn mir vor­stel­le, kann übri­gens bes­ser Lesen, Rech­nen und Schrei­ben als so man­cher, der heu­te Abitur macht.

(Zustim­mung bei der AfD)

Um das zu errei­chen, müs­sen wir mit dem Inklu­si­ons­ge­dan­ken bre­chen und in allen bil­dungs­po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen zur strengst­mög­li­chen Ziel­gleich­heit zurück­keh­ren. Bil­dung kann doch nicht hei­ßen, dass die Maß­stä­be an jeden Schü­ler indi­vi­du­ell ange­passt wer­den. Bil­dung heißt, dass die Schü­ler danach stre­ben, sich ste­tig zu ver­bes­sern und auch hoch gesetz­te Maß­stä­be zu erreichen. 

Das Den­ken der soge­nann­ten Ziel­dif­fe­renz hat in der Schu­le nichts ver­lo­ren. Das Bil­dungs­ziel ist pro Klas­se und Schul­form vor­ge­ge­ben. Wer es nicht erreicht, der wie­der­holt oder steigt in die nächst­nied­ri­ge­re Schul­form ab. Wer es über­trifft, der soll­te natür­lich auch auf­stei­gen. Stren­ge Maß­stä­be einer­seits und die Durch­läs­sig­keit der Schul­for­men ande­rer­seits sind kein Wider­spruch, son­dern bedin­gen einander.

(Bei­fall bei der AfD)

Die bil­dungs­po­li­ti­sche Wen­de, die wir brau­chen, muss bis in die Metho­dik des Unter­richts hin­ein­ge­hen. Wir müs­sen die Ten­denz zur Zeit­ver­schwen­dung, zur Kuschel­päd­ago­gik und zum Info­tain­ment über­win­den. Ohne Schweiß kein Preis.

(Bei­fall bei der AfD)

Es muss mehr aus­wen­dig gelernt werden.

(Olaf Meis­ter, GRÜNE, lacht)

Das ist kei­nes­falls stu­pi­de, son­dern eine höchst sub­ti­le Angelegenheit;

(Olaf Meis­ter, GRÜNE: Ah ja!)

denn ein Gedicht in all sei­nen Bedeu­tungs­nu­an­cen ver­ste­hen Sie nur dann, wenn Sie es aus­wen­dig gelernt haben.

Gene­rell muss mehr geübt wer­den. Im Fremd­spra­chen­un­ter­richt etwa sind die guten alten Drill­übun­gen zu reha­bi­li­tie­ren. Man lernt eine Fremd­spra­che nicht, indem man not­dürf­tig mit etwas Grund­wort­schatz und Gram­ma­tik ver­sorgt in klei­nen Grup­pen ein sinn­frei­es Rade­bre­chen beginnt, son­dern indem man bis zur Erschöp­fung Dekli­na­ti­on und Kon­ju­ga­ti­on repetiert.

Der Sport­un­ter­richt ist so zu gestal­ten, dass die Schü­ler, die viel zu häu­fig trä­ge her­um­ste­hen, dau­ernd in Bewe­gung sind, dass sie ins Schwit­zen kom­men und trai­niert wer­den. Damit wür­den wir auch etwas gegen die Über­ge­wich­tig­keit vie­ler Jugend­li­cher tun.

(Bei­fall bei der AfD)

Wir haben übri­gens schon in unse­rem Land­tags­wahl­pro­gramm gefor­dert, die Zahl der Sport­stun­den pro Woche von zwei auf vier zu erhö­hen. Wir wer­den die­se For­de­rung so lan­ge erneu­ern, bis sie umge­setzt ist.

Der Unter­richt muss auch mit Erzie­hung ein­her­ge­hen, die wie jede Erzie­hung nicht weich und kalt sein darf, son­dern hart und warm sein muss. Dazu bedarf es Auto­ri­tät. Natür­lich ist die Auto­ri­tät des Leh­rers erst ein­mal nur ver­lie­he­ne Auto­ri­tät, aber wenn wir die Posi­ti­on des Leh­rers stär­ken und ihm die Rücken­de­ckung geben, die er braucht, dann wird er auch Mut fas­sen, wie­der mit ech­ter Auto­ri­tät aufzutreten.

(Bei­fall bei der AfD)

Etwas, was uns dage­gen nicht wei­ter­bringt, ist die soge­nann­te digi­ta­le Bil­dung. Schon allein die­ser Begriff ist ein Wider­spruch in sich.

(Olaf Meis­ter, GRÜNE: Modeerscheinung!)

Digi­ta­li­sie­rung ist der größ­te Feind ech­ter Bil­dung. Bil­dung besteht dar­in, dass sie uns formt. Dazu braucht es Gegen­stän­de mit Wider­stand, den wir über­win­den müssen,

(Kat­rin Bud­de, SPD: Rohr­stock, oder was?)

um sie uns anzu­eig­nen, was uns nach­hal­tig ver­än­dert. Eben das heißt dann Bildung.

Das Wesen der digi­ta­len Medi­en besteht aber gera­de dar­in, dass sie die­se Wider­stän­de, auf die jeder Bil­dungs­vor­gang ange­wie­sen ist, her­ab­set­zen. Digi­ta­le Medi­en ermög­li­chen es mit Leich­tig­keit, von The­ma zu The­ma zu wech­seln. In Power­Point-Prä­sen­ta­tio­nen zie­hen Bild­fol­gen und Text­fet­zen an einem vor­bei. Sobald ein Gegen­stand lang­weilt, kann das Fens­ter geschlos­sen und das nächs­te The­ma auf­ge­ru­fen werden – 

(Flo­ri­an Phil­ipp, CDU: Wir haben Sie verstanden!)

ein Tun, das in all sei­ner Ober­fläch­lich­keit mit der Meta­pher des Sur­fens durch­aus tref­fend bezeich­net ist. Bil­dung aber, wer­te Kol­le­gen, heißt nicht zu sur­fen, son­dern zu tau­chen, ein­zu­tau­chen in die Gegen­stän­de, sich zu ver­sen­ken in das Bil­dungs­gut und als ein ande­rer wie­der aufzutauchen. 

Die Reduk­ti­on der hap­ti­schen Antei­le durch die Digi­ta­li­sie­rung ver­rin­gert die Bear­bei­tungs­tie­fe. Das Tip­pen am Com­pu­ter ist viel weni­ger ein­präg­sam als das Schrei­ben mit eige­ner Hand auf Papier, und damit ist auch der Bil­dungs­ef­fekt gerin­ger. Nicht umsonst heißt es: von der Hand in den Verstand.

(Bei­fall bei der AfD)

Die Digi­ta­li­sie­rung aller Fächer för­dert das soge­nann­te Buli­mie­ler­nen, die kurz­fris­ti­ge Aneig­nung und Abson­de­rung von Wis­sen. Bil­dung aber besteht nicht dar­in, Wis­sen aus­zu­kot­zen. Bil­dung besteht dar­in, das Bil­dungs­gut zu verdauen.

(Bei­fall bei der AfD)

Digi­ta­li­sie­rung steht dem kon­tem­pla­ti­ven Ver­wei­len, dem Kern jedes Bil­dungs­vor­gangs ent­ge­gen. Sie bil­det nicht. Sie defor­miert und ver­blö­det. Die­se digi­ta­le Ver­blö­dung wird dann durch das hoch­tra­ben­de Gere­de von der digi­ta­len Kom­pe­tenz ver­brämt. Was soll das bit­te schön sein? – Jeder kann Wiki­pe­dia kon­sul­tie­ren, sich auf You­Tube Fil­me anschau­en, goo­geln, bei Ebay ein­kau­fen und sich in sozia­len Netz­wer­ken her­um­trei­ben. Das ist nichts, was irgend­wie ver­mit­telt wer­den muss. Es wird zur Kom­pe­tenz her­auf­ge­adelt, was die Schü­ler ohne­hin tun. 

Was einem auch zu den­ken geben soll­te, ist, dass die Digi­ta­li­sie­rung kaum je von unten, also von Schü­lern, Eltern und Leh­rern gefor­dert wird, son­dern dass sie in aller Regel von oben gefor­dert und geför­dert wird. Ich habe jeden­falls noch nicht gehört, dass Leh­rer und Schü­ler irgend­wo für die Aus­stat­tung ihrer Schu­len mit Bea­mern und digi­ta­len Tafeln auf die Bar­ri­ka­den gegan­gen wären.

(Hol­ger Hövel­mann, SPD: O doch!)

Der Ein­satz von Com­pu­tern mag in der Infor­ma­tik sinn­voll sein, in allen ande­ren Fächern, vor allem in den geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Fächern rich­tet er mehr Scha­den als Nut­zen an. Eine geziel­te Off­line-Ein­füh­rung in die gän­gi­gen Text­ver­ar­bei­tungs­pro­gram­me wäre sicher auch sinn­voll, aber gera­de dar­um geht es bei der Digi­ta­li­sie­rung in aller Regel nicht. Ihr Ziel ist die Trans­for­ma­ti­on des Unter­richts in eine media­le Form, die dafür nicht geeig­net ist.

Die in unse­ren Schu­len lau­fen­de Digi­ta­li­sie­rung beschä­digt die Bil­dung allein schon durch die schie­re Beschleu­ni­gung der Lern­vor­gän­ge, was dann als erhöh­te Mobi­li­tät gefei­ert wird. Bil­dung aber braucht nicht mehr Mobi­li­tät, son­dern Kon­ti­nui­tät. Sie braucht Zeit und Ruhe und eine Ver­wur­ze­lung in der gro­ßen Tra­di­ti­on, wes­halb im Rah­men einer umfas­sen­den Bil­dungs­re­nais­sance auch über die Wie­der­ein­füh­rung des Abiturs nach 13 Schul­jah­ren und eine Umstruk­tu­rie­rung der Lehr­plä­ne nach­zu­den­ken wäre.

Wenn ich von Bil­dung spre­che, dann mei­ne ich etwas ganz ande­res als die nack­te Infor­ma­ti­on. Nicht ganz zu Unrecht wird von Eltern und Schü­lern eine aus­ufern­de Infor­ma­ti­ons­flut an der Schu­le beklagt. Hin­ter der Kri­tik, es käme nicht so sehr auf Wis­sen an, son­dern auf die Ver­mitt­lung von Kom­pe­tenz, dürf­te sich in vie­len Fäl­len nicht mehr als schlich­te Faul­heit ver­ber­gen. Nichts­des­to­trotz hat sie einen wah­ren Kern: Wis­sen, das nicht auf ein Bil­dungs­ziel hin geord­net ist, ver­liert sei­nen Wert und ist nicht mehr als eine nichts­sa­gen­de Ansamm­lung dis­pa­ra­ter Infor­ma­tio­nen. Wir brau­chen mehr Bil­dungs­gut und weni­ger Infor­ma­ti­ons­flut im Lehrplan.

(Bei­fall bei der AfD)

Schluss­end­lich dür­fen wir nicht ver­ges­sen, dass Bil­dung immer auch Natio­nal­bil­dung ist, im dop­pel­ten Sin­ne, also Bil­dung des Ein­zel­nen zur Nati­on und Bil­dung der Nati­on. Bil­dung ist unmög­lich ohne einen Kanon, ohne das Bil­dungs­gut. Die­ses Bil­dungs­gut aber ist natio­nal defi­niert. An die­sem Kanon bil­det die Schu­le den Ein­zel­nen zu einem guten Bür­ger unse­res Staa­tes und for­miert damit die Nation. 

Nur wenn dem so ist, wenn die Schu­le ein gesun­des Natio­nal­ge­fühl ver­mit­telt, nur wenn die Schü­ler stolz auf sich selbst und ihr Land sein wol­len, stre­ben sie auch her­aus­ra­gen­de Leis­tun­gen an und tre­ten in jenen heil­sa­men Wett­streit, von dem ich gespro­chen habe. Die Null-Bock- und die Scheiß-Deutsch­land-Men­ta­li­tät sind zwei Sei­ten einer Medaille.

(Bei­fall bei der AfD – Eva Feuß­ner, CDU: Aber Ihre Par­tei trägt dazu bei!)

Wie soll jemand Ehr­geiz ent­wi­ckeln, wie soll er Her­aus­ra­gen­des leis­ten wol­len, wenn er im Bewusst­sein erzo­gen wird, einer schlech­ten Nati­on anzugehören?

(Bei­fall bei der AfD)

Natio­nal­stolz för­dert ein gesun­des Selbst­be­wusst­sein. Ein gesun­des Selbst­be­wusst­sein ist Vor­aus­set­zung dafür, dass unse­re Kin­der in der Schu­le zu tüch­ti­gen Men­schen her­an­wach­sen, die gute Staats­bür­ger wer­den, die ihren Beruf ernst neh­men und die nicht nur fra­gen, was ihr Land für sie tun kann, son­dern die auch fra­gen, was sie für ihr Land tun können.

(Bei­fall bei der AfD)

Das sind hohe Zie­le. Man mag mir Welt­fremd­heit und Idea­lis­mus vor­wer­fen, aber wir, die AfD, haben als die fun­da­men­tal­op­po­si­tio­nel­le Kraft, die wir sind, die Auf­ga­be, einen grund­sätz­li­chen Gegen­ent­wurf zur geschei­ter­ten Poli­tik der Alt­par­tei­en vorzulegen.

(Bei­fall bei der AfD)

Selbst­ver­ständ­lich müs­sen wir die Rea­li­tä­ten zur Kennt­nis neh­men und dür­fen die Bil­dungs­po­li­tik nicht aus den sozia­len Zusam­men­hän­gen her­aus reflek­tie­ren, in die sie ein­ge­bet­tet ist. Es kann doch aber auch nicht sein, dass wir die Übel­stän­de in der Fami­li­en- oder Kul­tur­po­li­tik als gesetzt hinnehmen.

Ich hat­te vor weni­gen Tagen ein aus­führ­li­ches und sehr inter­es­san­tes Gespräch mit Gym­na­si­al­leh­rern aus Sach­sen-Anhalt. Wir kamen dabei auch auf das The­ma Schul­so­zi­al­ar­beit. Die all­ge­mei­ne Mei­nung war unge­fähr die, dass die Schu­le natür­lich idea­ler­wei­se ohne Schul­so­zi­al­ar­beit aus­kom­men soll­te. Da es aber immer mehr Pro­blem­fa­mi­li­en gibt und auch intak­te Fami­li­en immer weni­ger leis­ten kön­nen, weil bei­de Eltern­tei­le voll beschäf­tigt sind, hiel­ten die Leh­rer Schul­so­zi­al­ar­beit vor allem in städ­ti­schen Pro­blem­be­rei­chen lei­der für notwendig.

Das wie­der­um schien mir etwas zu kurz gedacht und zu resi­gna­tiv. Wir müs­sen end­lich auf­hö­ren, immer nur Sym­pto­me zu bekämp­fen, und müs­sen an die Wur­zel des Übels gehen. Der Schluss aus dem geschil­der­ten Befund kann doch nur sein, dass wir die Fami­li­en stär­ker för­dern und vor allem den enor­men Erwerbs­druck von den Fami­li­en neh­men, sodass sie wie­der mehr Zeit für ihre Kin­der haben.

(Bei­fall bei der AfD)

Schul­so­zi­al­ar­beit darf kei­ne geschei­ter­te Fami­li­en­po­li­tik kom­pen­sie­ren, und gute Bil­dungs­po­li­tik darf sich nicht mit den Gege­ben­hei­ten einer geschei­ter­ten Fami­li­en­po­li­tik abfin­den. Wir müs­sen die Renais­sance deut­scher Bil­dung, die ich umris­sen habe, in eine neue Fami­li­en- und eine neue Kul­tur­po­li­tik ein­bet­ten. Wenn wir den Man­gel – und damit mei­ne ich nicht so sehr den Man­gel an Finan­zen oder Per­so­nal, son­dern den geis­ti­gen Man­gel – nicht nur ver­wal­ten, son­dern behe­ben wol­len, müs­sen wir eine Wen­de ein­lei­ten, die weit über den Bereich der Bil­dungs­po­li­tik hinausgreift.

Alle Übel­stän­de unse­res Bil­dungs­we­sens wur­zeln letzt­lich in der Kul­tur­re­vo­lu­ti­on und der Eman­zi­pa­ti­ons­ideo­lo­gie der 68er. Dort begin­nen der hoh­le Indi­vi­dua­lis­mus, die Destruk­ti­on der Fami­lie, die Miss­ach­tung von Wett­streit, Fleiß und Dis­zi­plin und die Anfein­dung unse­rer Nationalkultur.

Die Kul­tur­re­vo­lu­ti­on der 68er hat ihren Kul­mi­na­ti­ons­punkt aber über­schrit­ten. Wir, die AfD, sind die Kon­ter­re­vo­lu­ti­on zur Kul­tur­re­vo­lu­ti­on der 68er.

(Bei­fall bei der AfD)

Sei­en Sie sicher: Wir wer­den noch gründ­li­cher durch die Insti­tu­tio­nen mar­schie­ren als die 68er und dann wer­den wir ein Bil­dungs­sys­tem auf­bau­en, das an die bes­ten Tra­di­tio­nen und die Glanz­zeit unse­res Vol­kes anknüpft. In einem sol­chen Bil­dungs­sys­tem wäre es wie­der eine Freu­de, Leh­rer zu sein. Dann müss­te man sich – ich kom­me zum Aus­gangs­the­ma zurück – über Leh­rer­man­gel wohl kei­ne Sor­gen mehr machen. – Vie­len Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 

(Bei­fall bei der AfD)