6. Mai 2017

KIRCHENASYL IST K E I N GEBOT DER NÄCHSTENLIEBE!

05.05.17
13. Sitzungsperiode des Landtags von Sachsen-Anhalt

Erwi­de­rungs­re­de zu einem Antrag der AfD-Frak­ti­on, der die Pra­xis des sog. “Kir­chen­asyl” angreift.

KIRCHENASYL IST K E I N GEBOT DER NÄCHSTENLIEBE!

Auf Antrag der Frak­ti­on der AfD soll die Lan­des­re­gie­rung auf­ge­for­dert wer­den, ihre Aus­län­der­be­hör­den anzu­wei­sen, dass künf­tig der Voll­zug über die Ent­schei­dung hin­sicht­lich der Abschie­bung eines Aus­län­ders nicht mehr auf­grund eines gewähr­ten Kir­chen­asyls aus­ge­setzt wer­den darf. Dafür soll sich auch gegen­über der Bun­des­re­gie­rung ein­ge­setzt wer­den. [Land­tag von Sach­sen-Anhalt]


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Transkript

Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD):

Herr Prä­si­dent! Sehr geehr­te Damen und Her­ren! Ich möch­te noch kurz auf das ein­ge­hen, was Herr Gal­lert gesagt hat. Mich schreckt der Ras­sis­mus­vor­wurf aus sei­nem Mun­de nicht; denn die LINKEN sind sehr schnell bei die­sem Vor­wurf. Aus ihrer Sicht bin ich sowie­so alles, was bei ihnen auf „-phob“ endet, und damit kann ich leben.

Jetzt zum The­ma Kir­chen­asyl: Das soge­nann­te Kir­chen­asyl, also die rechts­wid­ri­ge Ver­ei­te­lung auf­ent­halts­be­en­den­der Maß­nah­men, wird übli­cher­wei­se mit dem Gebot der christ­li­chen Nächs­ten­lie­be gerecht­fer­tigt. So pre­di­gen es Pfar­rer, Flücht­lings­rä­te und Poli­ti­ker. Ich will zum Abschluss der Debat­te etwas näher dar­auf ein­ge­hen; denn das Gan­ze ist ein Mus­ter­bei­spiel für eine jener Begriffs­per­ver­tie­run­gen, mit denen sich die herr­schen­de Poli­tik abzu­si­chern pflegt.

Zunächst ein­mal kann Nächs­ten­lie­be als Gefühl nicht Grund­la­ge eines poli­ti­schen und somit sitt­li­chen Gebo­tes sein.

(Sebas­ti­an Strie­gel, GRÜNE: Nächs­ten­lie­be ist kein Gefühl! Nächs­ten­lie­be ist ein Auftrag!)

Gefüh­le kom­men und gehen. Man hat sie, oder man hat sie nicht.

(Zuru­fe von der LINKEN)

Sie las­sen sich aber nicht gebie­ten. Imma­nu­el Kant deu­te­te die Nächs­ten­lie­be des­halb um in ein – wie er sagt – Wohl­tun aus Pflicht. Das passt schon in das Sys­tem der Kan­ti­schen Moral­phi­lo­so­phie, hat aber nur noch wenig mit der christ­li­chen Nächs­ten­lie­be zu tun. Die Nächs­ten­lie­be im Neu­en Tes­ta­ment ist näm­lich gera­de kei­ne Pflicht. Was die Nächs­ten­lie­be ist, hat nie­mand so klar und tief­grün­dig erfasst wie der gro­ße evan­ge­li­sche Theo­lo­ge Rudolf Bult­mann. In sei­nem Auf­satz „Das christ­li­che Gebot der Nächs­ten­lie­be“ lesen wir:

„Die Lie­be sagt nichts dar­über aus, wie sitt­li­ches Han­deln im All­ge­mei­nen beschaf­fen sein müs­se, um als sitt­li­ches bezeich­net wer­den zu kön­nen. Sie ist eben­so wenig das Mate­ri­al­prin­zip einer Ethik; denn sie sagt nichts aus über ein zu ver­wirk­li­chen­des Ide­al, über ein zu errei­chen­des Ziel. Sie gibt kei­ne Grund­sät­ze des Han­delns an, gemäß denen ich mich dann, wenn ich sie weiß, ver­hal­ten kann. Die Lie­be ist viel­mehr ein ganz bestimm­tes Ver­ste­hen der Ver­bun­den­heit von ich und Du, nicht im All­ge­mei­nen, son­dern sie ver­steht je mei­ne Ver­bun­den­heit mit mei­nem Nächs­ten in der jewei­li­gen Situation.“

Das heißt, Nächs­ten­lie­be öff­net uns die Augen für das, was uns der Nächs­te, mit dem wir in kon­kre­ten Lebens­si­tua­tio­nen immer schon ver­bun­den sind, bedeu­tet. Sie ist eine Erkennt­nis, aber garan­tiert kein Gebot, mit jedem x‑beliebigen auf die­ser Welt soli­da­risch zu sein, und erst recht lässt sie sich nicht dele­gie­ren, sodass wir sie schon ver­wirk­licht hät­ten, wenn wir die von Ange­la Mer­kel und den gro­ßen Kir­chen betrie­be­ne Mas­sen­ein­wan­de­rung gut­hei­ßen wür­den oder umge­kehrt gegen die Nächs­ten­lie­be han­deln wür­den, wenn wir die­se Poli­tik ver­ur­tei­len und bekämp­fen. Die Kir­chen ver­kau­fen gegen die Zustim­mung zur Poli­tik der Bun­des­kanz­le­rin das Gefühl, in der Nächs­ten­lie­be zu leben und ein guter Mensch zu sein. Das ist nichts ande­res als eine moder­ne poli­ti­sche Form des Ablasshandels.

(Bei­fall bei der AfD)

Im Grun­de bräuch­ten wir gegen die Ablass­pre­di­ger unse­rer Zeit eine neue Refor­ma­ti­on, also ein neu­es Wie­der-in-Form-Brin­gen eines völ­lig defor­mier­ten Kir­chen­glau­bens. Mein Nächs­ter ist nicht der Syrer, der sein Land im Stich lässt.

(Sebas­ti­an Strie­gel, GRÜNE: Das mer­ken wir!)

Es ist nicht der Afgha­ne, der denkt, dass es sich in Deutsch­land bes­ser leben lässt. Nein, mein Nächs­ter ist der Obdach­lo­se am Has­sel­bach­platz. Mein Nächs­ter ist der Rent­ner im Haus neben­an, der nicht weiß, wie er über die Run­den kom­men soll. Mein Nächs­ter ist der Bil­lig­löh­ner, der das Kauf­haus bewacht, in dem ich ein­kau­fe, der 40 Stun­den und mehr die Woche arbei­tet und gera­de genug hat, um nicht zu verhungern.

(Bei­fall bei der AfD)

Wer die Not des Obdach­lo­sen in sei­ner Stadt und des Rent­ners in sei­ner Nach­bar­schaft nicht sieht, weil er sich mit der Not in Syri­en und Afgha­ni­stan beschäf­tigt, der han­delt gera­de ohne Nächstenliebe.

Diet­rich Bon­hoef­fer hat die schon zu sei­ner Zeit auf­kom­men­de per­mis­si­ve Ver­ge­bungs­theo­lo­gie der Kir­sche als bil­li­ge Gna­de scharf kri­ti­siert. Ich wür­de so ähn­lich die von der Kir­che unse­rer Tage pro­pa­gier­te Nächs­ten­lie­be als bil­li­ge Über­nächs­ten­lie­be bezeich­nen wollen.

Wäh­rend recht ver­stan­de­ne Nächs­ten­lie­be auf eine gesun­de Selbst­lie­be, ein gesun­des Selbst­be­wusst­sein und eine Ver­tei­di­gung des Eige­nen bezo­gen ist, ver­bürgt sich hin­ter der bil­li­gen Über­nächs­ten­lie­be der Selbst­hass, die Unter­wer­fung unter das Inter­es­se der Frem­den zum Scha­den derer, die tat­säch­lich unse­re Nächs­ten wären. Dies ist eine ekla­tan­te Ver­let­zung des Prin­zips der Nächstenliebe.

Wer Kir­chen­asyl mit der Nächs­ten­lie­be begrün­det, der ver­höhnt das Chris­ten­tum. Des­halb kann ich Armin-Paul Ham­pel nur bei­pflich­ten, der auf dem zurück­lie­gen­den Bun­des­par­tei­tag der AfD in Köln zum Kir­chen­aus­tritt auf­ge­ru­fen hat. Nicht der Wider­spruch gegen die AfD ist ers­te Chris­ten­pflicht, wie das ein Bischof Drö­ge aus Bran­den­burg erklärt hat. Nein, der Aus­tritt aus einer vom Chris­ten­tum abge­fal­le­nen Kir­che ist im Jah­re 2017 in Deutsch­land die ers­te Christenpflicht.

(Bei­fall bei der AfD)