28. September 2017

Wir müssen wieder zu einer Kultur des pädagogischen Strafens zurückfinden!

27.09.17
16. Sitzungsperiode des Landtags von Sachsen-Anhalt

Gegen­re­de zu einem Antrag der Lin­ken, mehr Schul­so­zi­al­ar­bei­ter einzustellen.

Wir müs­sen wie­der zu einer Kul­tur des päd­ago­gi­schen Stra­fens zurückfinden!

 

Quel­le [Land­tag von Sachsen-Anhalt]


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Transkript

Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD):

Herr Prä­si­dent! Sehr geehr­te Damen und Her­ren! DIE LINKE zeigt uns wie­der ein­mal, was es heißt, den Bock zum Gärt­ner zu machen. Das ist über­haupt eine Redens­art wie gemacht für Ihre Poli­tik. Sie rich­ten zuerst einen Scha­den an und ver­kau­fen sich dann als die­je­ni­gen, die beru­fen sind, ihn zu behe­ben. Sie sind Brand­stif­ter und Feu­er­wehr in einem.

Mit dem vor­lie­gen­den Antrag begeh­ren die LINKEN, die Schul­so­zi­al­ar­beit als Regel­auf­ga­be zu eta­blie­ren. Im Klar­text heißt das, jeder Schu­le min­des­tens einen Sozi­al­ar­bei­ter zuzu­ord­nen, ob sie ihn nun braucht oder nicht. Schul­so­zi­al­ar­beit scheint nach der Auf­fas­sung der LINKEN ein päd­ago­gi­sches Grund­be­dürf­nis zu sein.

Wenn es aber so wäre, dann fra­ge ich mich, wes­halb unser Schul­we­sen in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten funk­tio­niert hat, und sogar erheb­lich bes­ser als heu­te, obwohl es damals noch kei­ne Schul­so­zi­al­ar­bei­ter gab, geschwei­ge denn, eine flä­chen­de­cken­de Ver­sor­gung mit Schulsozialarbeitern.

(Bei­fall bei der AfD)

In der Antrags­be­grün­dung heißt es, dass die Schul­so­zi­al­ar­beit zur Umset­zung der Inklu­si­on und ange­sichts der Flücht­lings­kin­der in den Schul­klas­sen nötig sei. Selbst wenn es so wäre – ich glau­be es nicht; aber selbst wenn es so wäre -, selbst wenn Schul­so­zi­al­ar­beit gegen die mit Inklu­si­on und Migra­ti­on ein­her­ge­hen­den viel­fäl­ti­gen Pro­ble­me hel­fen wür­de, blie­be den­noch die Tat­sa­che, dass die­se Pro­ble­me selbst gemacht sind. Die­se Pro­ble­me sind nicht vom Him­mel gefal­len. Sie sind das direk­te Resul­tat Ihrer Politik.

(Zustim­mung bei der AfD)

Sie, wer­te Kol­le­gen von der Links­par­tei, sind es doch, die mehr und immer mehr Inklu­si­on und mehr und immer mehr Migra­ti­on for­dern. Sie schaf­fen die Pro­ble­me, für die Sie dann die Lösung anbie­ten, die oben­drein, wie ich mei­ne, auch noch untaug­lich sind. Ihre Poli­tik ist nichts ande­res als eine schä­bi­ge Insze­nie­rung, die aber von immer mehr Bür­gern durch­schaut wird.

Bei der Bun­des­tags­wahl am Sonn­tag haben sich nur noch 17,8 % der Wäh­ler in Sach­sen-Anhalt für Sie ent­schie­den; das ist ein Minus von 6,2 % im Ver­gleich zur letz­ten Bun­des­tags­wahl. Und das ist auch gut so!

(Zustim­mung bei der AfD)

Wür­den wir das Inklu­si­ons­expe­ri­ment sofort been­den und die Flücht­lings­kin­der in Son­der­klas­sen aus­la­gern, wie es die AfD-Frak­ti­on schon mehr als ein­mal for­dert hat, wür­den wir die Miss­stän­de an unse­ren Schu­len schlag­ar­tig und spür­bar redu­zie­ren, und jede For­de­rung nach mehr Schul­so­zi­al­ar­beit wäre unbegründet.

Ein wei­te­rer Pro­blem­kreis, den Sie in Ihrem Antrag aber wohl­weis­lich gar nicht erst erwäh­nen, der aber ange­spro­chen wer­den muss, ist der Umstand, dass die meis­ten Fami­li­en auf­grund des hohen Erwerbs­drucks so viel Zeit mit Arbeit ver­brin­gen, dass sie sich nicht mehr hin­rei­chend um ihre Kin­der küm­mern kön­nen. Die Kin­der blei­ben sich selbst über­las­sen, ver­wahr­lo­sen und gera­ten lei­der in vie­len Fäl­len auf die schie­fe Bahn.

Auch hier ist Schul­so­zi­al­ar­beit nicht mehr als eine schlech­te und inef­fi­zi­en­te Sym­ptom­be­hand­lung. Wol­len wir das Pro­blem an der Wur­zel kurie­ren, müs­sen wir, anstatt bei­de Eltern­tei­le zur Arbeit zu drän­gen, die Fami­li­en­för­de­rung so ein­stel­len, dass in Fami­li­en mit Kin­dern nur ein Eltern­teil arbei­ten muss.

(Moni­ka Hoh­mann, DIE LINKE: Frau­en an den Herd!)

Wir bräuch­ten statt mehr Schul­so­zi­al­ar­beit eine umfas­sen­de Fami­li­en­för­de­rung unter dem Mot­to „ein Lohn reicht für vier Köpfe“.

(Sil­ke Schind­ler, SPD: Das stand schon 1933 in der Zeitung!)

Ent­we­der sehen Sie das nicht, weil sie ganz offen­sicht­lich unter einer Erkennt­nis­blo­cka­de lei­den – das glau­be ich aber nicht; denn so dumm sind Sie nicht – oder – das ist wahr­schein­li­cher – Sie wol­len ganz bewusst den Ein­fluss der Fami­lie zurück­drän­gen. Auch ohne dass es poli­tisch for­ciert wür­de, lei­den wir schon dar­un­ter, dass immer mehr Auf­ga­ben, die frü­her die Fami­lie erle­digt hat, nun dem Staat auf­ge­bürgt wer­den, vom Hüten der Säug­lin­ge bis zur Pfle­ge der Alten.

Auf­ga­be der Poli­tik ist es, sol­chen gesell­schaft­li­chen Fehl­ent­wick­lun­gen ent­ge­gen­zu­tre­ten. Sie wol­len aber genau das, Sie wol­len die Fehl­ent­wick­lung. Weil Sie die nor­ma­le Fami­lie, die Tra­di­ti­on und die bür­ger­li­che Frei­heit has­sen, eifern sie dem Ide­al eines Staa­tes hin­ter­her, der die Bür­ger von der Wie­ge bis zur Bah­re betreut, in Abhän­gig­keit hält, ihnen am bes­ten auch noch das Den­ken abnimmt und sie im Geis­te einer durch und durch per­ver­sen Welt­an­schau­ung erzieht.

(Zustim­mung bei der AfD – Zuruf von Sil­ke Schind­ler, SPD)

Wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chun­gen – Sie sagen nicht, wel­che – bestä­ti­gen angeb­lich, dass die Schul­so­zi­al­ar­beit viel­fach posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen hat. Das wüss­te man doch gern genau­er. Ein Sau­na­auf­ent­halt oder eine Ganz­kör­per­mas­sa­ge haben auch viel­fach posi­ti­ve Auswirkungen.

(Zustim­mung und Hei­ter­keit bei der AfD)

Also bit­te­schön: Wel­che viel­fach posi­ti­ven Aus­wir­kun­gen hat denn Schul­so­zi­al­ar­beit? Wie die Sta­tis­tik in die­sem Land zeigt, gehört jeden­falls eine Sen­kung der Schul­ab­bre­cher­quo­te ganz sicher nicht zu den viel­fach posi­ti­ven Aus­wir­kun­gen der Schulsozialarbeit.

(Zustim­mung bei der AfD)

Uns allen ist doch klar: Sie prä­zi­sie­ren nicht, weil Schul­so­zi­al­ar­beit kei­ne objek­tiv mess­ba­ren posi­ti­ven Aus­wir­kun­gen hat. Sie ver­mit­telt Ihnen ein gutes Gefühl; und das ist alles.

Und las­sen Sie mich raten: Die­se schein­bar wis­sen­schaft­li­chen Unter­su­chun­gen wur­den bestimmt von Wis­sen­schaft­lern durch­ge­führt, die als Lehr­per­so­nal an den Uni­ver­si­tä­ten Sozi­al­ar­bei­ter aus­bil­den. Wir haben hier näm­lich schon eine sich selbst näh­ren­de Indus­trie. Die LINKEN wol­len viel Geld raus­schmei­ßen, um die­se Indus­trie wei­ter auf­zu­blä­hen. Wir aber wol­len die­sen selbst­zweck­haf­ten Betrieb beschnei­den, weil wir das Geld für wich­ti­ge­re Din­ge brauchen.

(Bei­fall bei der AfD)

Des­halb sagen wir ein­mal ganz grund­sätz­lich zur Schul­so­zi­al­ar­beit: An Pro­blem­schu­len mag es sinn­voll sein, sehr spar­sam, punk­tu­ell und zeit­lich befris­tet Schul­so­zi­al­ar­bei­ter ein­zu­set­zen. Dabei kann es sich auch hier nur um ergän­zen­de Maß­nah­men han­deln. Wich­ti­ger als die Schul­so­zi­al­ar­beit ist es in mei­nen Augen, dass wir den Leh­rer wie­der mit mehr Auto­ri­tät aus­stat­ten. Der Leh­rer muss wie­der in die Lage ver­setzt wer­den, für Ord­nung zu sorgen.

(Moni­ka Hoh­mann, DIE LINKE: Na ja, der Rohrstock!)

Ihr gesam­ter Ansatz – jetzt hören Sie ein­mal zu, dann ver­ste­hen Sie auch mal etwas – krankt dar­an – ich mei­ne damit den gesam­ten Poli­tik­an­satz, nicht nur Ihren bil­dungs­po­li­ti­schen Ansatz -, dass er dem Ein­zel­nen Ver­ant­wor­tung abnimmt und die Gesell­schaft für indi­vi­du­el­les Fehl­ver­hal­ten haft­bar macht. Das ist nichts ande­res, als die klas­si­sche Ent­las­tungs­ar­gu­men­ta­ti­on, die den Ver­bre­cher mit sei­ner Kind­heit entschuldigt.

Dahin­ter ver­birgt sich ein gro­ßes Pro­blem, näm­lich die Fra­ge nach der mensch­li­chen Frei­heit. Sind wir frei oder ist unser Han­deln bedingt durch unse­re Ver­an­la­gun­gen, unse­ren Kon­text. Die­se Fra­ge ist nicht zu ent­schei­den. Klar aber ist: Unab­hän­gig davon, ob wir tat­säch­lich frei sind, gilt, dass wir unter die­ser Prä­mis­se han­deln müs­sen. Wir müs­sen also so han­deln, als ob wir frei wären, weil nur unter die­ser Prä­mis­se sitt­li­ches Han­deln mög­lich ist.

Kon­kret heißt das, wenn wir jun­gen Men­schen, denen ein Ver­ant­wor­tungs- und Pflicht­ge­fühl erst aner­zo­gen wer­den muss, damit gegen­über­tre­ten, dass wir ihr Fehl­ver­hal­ten a prio­ri als Aus­druck sozia­ler Miss­stän­de inter­pre­tie­ren und es so kei­ne Stra­fe nach sich zieht, son­dern einen Gesprächs­ter­min beim Sozi­al­ar­bei­ter, dann ist das katastrophal.

(Bei­fall bei der AfD)

Die jun­gen Men­schen erhal­ten einen Gene­ral­ab­lass für all ihre Ver­feh­lun­gen. Die Aus­bil­dung von Pflicht­ge­fühl wird nicht nur nicht geför­dert, son­dern im Keim erstickt. Infol­ge­des­sen sinkt die Hemm­schwel­le, die Haus­auf­ga­ben nicht zu erle­di­gen, die Schu­le zu schwän­zen, Mit­schü­ler zu drang­sa­lie­ren oder Sach­be­schä­di­gun­gen zu begehen.

Im Zwei­fel schiebt man das, was man getan hat, dar­auf, als Aus­län­der dis­kri­mi­niert zu sein, in einem Elends­vier­tel zu woh­nen, oder dar­auf, dass die Eltern gera­de arbeits­los sind. Hier­ge­gen hilft nur eine Null­to­le­ranz­päd­ago­gik. Die Schü­ler müs­sen ler­nen, dass es emp­find­li­che Fol­gen hat, wenn sie Regeln über­tre­ten. Und ja, wir müs­sen wie­der zu einer Kul­tur des päd­ago­gi­schen Stra­fens zurückfinden.

Wir brau­chen nicht mehr Schul­so­zi­al­ar­beit, son­dern kla­re und stren­ge Regeln, aber auch weni­ger und ande­re Regeln, kei­ne auf­ge­bläh­te poli­ti­sche Kor­rekt­heit, kein Sys­tem aus Denk- und Sprech­ver­bo­ten, kei­ne Äch­tung von patrio­ti­schen Ein­stel­lun­gen mehr an unse­ren Schu­len, dafür aber ein kla­res Bewusst­sein für geis­ti­ge Frei­heit einer­seits und Pflicht ande­rer­seits. Bei­des bedingt näm­lich einander.

Die per­mis­si­ve Gesell­schaft ist nicht so tole­rant, wie sie tut. Da sie kei­ne ech­te Pflicht kennt, kennt sie auch kei­ne Frei­heit. Oder, um mit Sol­sche­ni­zyn zu spre­chen: „Ein mar­xis­ti­sches Sys­tem erkennt man dar­an, dass es die Kri­mi­nel­len ver­schont und den poli­ti­schen Geg­ner kriminalisiert.“

(Bei­fall bei der AfD)

Wenn wir dage­gen Pflicht­ver­let­zun­gen und Respekt­lo­sig­keit sofort streng sank­tio­nie­ren und die reni­ten­ten Schü­ler mer­ken, dass sie mit erns­ten Kon­se­quen­zen zu rech­nen haben, wenn sie nicht mit­spie­len, dann ist Schul­so­zi­al­ar­beit überflüssig.

Ich den­ke, ich habe gezeigt, dass ihr Antrag nur die Pro­ble­me nährt, statt sie zu lösen. Selbst­ver­ständ­lich wird die AfD-Frak­ti­on ihn ablehnen.

(Bei­fall bei der AfD)