27. Januar 2018

Freiheit statt Bürokratie, Qualität statt Quantität im Bildungwesen!

25.01.18
20. Sitzungsperiode des Landtags von Sachsen-Anhalt

Rede anläß­lich der Debat­te über die For­de­run­gen der Volks­in­itia­ti­ve gegen Leh­rer­man­gel in Sachsen-Anhalt

Freiheit statt Bürokratie, Qualität statt Quantität im Bildungwesen!

 

Quel­le [Land­tag von Sachsen-Anhalt]


Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD):

Frau Prä­si­den­tin! Sehr geehr­te Damen und Her­ren! Sehr ver­ehr­te Gäs­te! Wenn der Staat in einem rei­chen und kul­tu­rell hoch ste­hen­den Land wie Sach­sen-Anhalt nicht mehr gewähr­leis­ten kann, dass den Kin­dern in aus­rei­chen­dem Umfang Schul­un­ter­richt erteilt wird, dann ist das nicht nur ein Miss­stand durch die unmit­tel­ba­ren Aus­wir­kun­gen, son­dern Sym­ptom einer tief­lie­gen­den Krise.

(Bei­fall bei der AfD)

Des­sen soll­ten wir uns immer bewusst sein, wenn wir über den Leh­rer­man­gel spre­chen. Wer die tie­fe­ren Ursa­chen der Kri­se unse­res Bil­dungs­we­sens nicht erkennt, ja, nicht erken­nen will, der wird immer nur Sym­pto­me kurie­ren. Wer aber nur Sym­pto­me kuriert, der wird die Krank­heit, von der sie kün­den, nicht hei­len, und letzt­lich wird er dadurch die Sym­pto­me auch nicht lindern.

Genau das ist bei den For­de­run­gen der LINKEN und der Volks­in­itia­ti­ve der Fall. Sie haben nicht ver­stan­den, dass das Bil­dungs­we­sen in Deutsch­land in Auf­lö­sung begrif­fen ist, weil sich die Grund­la­gen unse­rer Gesell­schaft und Kul­tur in Auf­lö­sung befin­den. Wir ver­ste­hen den Unmut der Bür­ger, der sich dar­über ent­lädt. Die Bür­ger sind im Recht, denn sie haben ein Recht dar­auf, dass der Staat ihre Kin­der unterrichtet.

Nur ist lei­der das, was nun als Beschluss­emp­feh­lung vor­liegt, ganz und gar nicht geeig­net, den Leh­rer­man­gel zu behe­ben, und zwar nicht, weil die For­de­run­gen der Volks­in­itia­ti­ve im Peti­ti­ons­aus­schuss zusam­men­ge­stri­chen wur­den, son­dern weil auch schon die ursprüng­li­chen For­de­run­gen Aus­druck eines ver­fehl­ten Ansat­zes waren.

Man kann nicht ein­fach mehr Leh­rer for­dern, ohne genau zu sagen, woher sie kom­men sol­len, und vor allem, ohne gründ­lich ana­ly­siert zu haben, wes­halb immer weni­ger jun­ge Men­schen den Beruf des Leh­rers ergrei­fen wollen.

(Bei­fall bei der AfD)

Sie sind ein­fach nicht bereit, die bil­dungs­po­li­ti­schen und päd­ago­gi­schen Irr­we­ge der letz­ten Jahr­zehn­te zu hin­ter­fra­gen. Sie sind nicht bereit, die Belas­tun­gen unse­rer Schu­len mit sozia­len Pro­ble­men aller Art auch nur ansatz­wei­se infra­ge zu stel­len. Sie for­dern Sei­ten­ein­stei­ger, haben aber, wie bei der Anhö­rung her­aus­kam, über­haupt kei­ne kla­ren Vor­stel­lun­gen davon, wie die­se qua­li­fi­ziert sein soll­ten, und Sie wol­len ohne jeg­li­che Qua­li­täts­prü­fung aus­nahms­los alle Absol­ven­ten in den Schul­dienst über­neh­men. Dem muss jeder ver­ant­wor­tungs­vol­le Bil­dungs­po­li­ti­ker widersprechen.

(Bei­fall bei der AfD)

Was nun nach der Bear­bei­tung durch den Peti­ti­ons­aus­schuss vor­liegt, ist eine etwas redu­zier­te Fas­sung des ursprüng­li­chen Papiers, aber immer noch nichts, was der Kri­se abhel­fen könn­te. Des­halb haben wir einen Alter­na­tiv­an­trag ein­ge­bracht, der skiz­ziert, wie das Pro­blem ange­gan­gen wer­den müsste.

Wir for­dern an ers­ter Stel­le, 80 Mil­lio­nen € neu in den Bil­dungs­haus­halt ein­zu­stel­len. Damit wür­de der finan­zi­el­le Spiel­raum geschaf­fen, den wir brau­chen, um den Leh­rer­man­gel zu bekämp­fen. Wir fin­den, dass es bes­ser ist, zuerst fest­zu­le­gen, wie viel Geld man aus­ge­ben will, und dann erst die Maß­nah­men in Angriff zu neh­men – nicht umgekehrt.

Wei­ter­hin for­dern wir bei den Sei­ten­ein­stei­gern den Nach­weis einer ange­mes­se­nen Min­dest­qua­li­fi­ka­ti­on, das heißt: ent­we­der Pro­mo­ti­on oder einen rich­ti­gen Stu­di­en­ab­schluss. „Rich­ti­ger Stu­di­en­ab­schluss“ heißt: Magis­ter, Diplom oder Staats­examen, im Bolo­gna-Sys­tem Mas­ter, kein Bache­lor, und zusätz­lich Lehr­erfah­rung an einer Uni­ver­si­tät oder in der Erwach­se­nen­bil­dung. Wer die­se Anfor­de­run­gen erfüllt, der soll­te aber – anders, als bis­lang üblich – nach drei Jah­ren Pra­xis ver­be­am­tet wer­den. Sol­che Leh­rer haben ihre Befä­hi­gun­gen schon in der Pra­xis, also dort, wo es dar­auf ankommt, unter Beweis gestellt. Es bedarf kei­nes Kurs­pro­gram­mes, um ihnen die Befä­hi­gung zum Lehr­amt zuzuerkennen.

Schluss­end­lich sind die Uni­ver­si­tä­ten von allen soge­nann­ten Ziel­ver­ein­ba­run­gen zu befrei­en, die sie dar­an hin­dern, Lehr­amts­stu­di­en­gän­ge ein­zu­rich­ten. Ech­te aka­de­mi­sche Frei­heit ist eines der bes­ten Mit­tel gegen den Man­gel an Lehramtsstudenten.

(Bei­fall bei der AfD)

Fazit: Mehr Geld, weni­ger Büro­kra­tie auf allen Ebe­nen, Ver­be­am­tung als Anreiz und hohe Ansprü­che an die Qua­li­fi­ka­ti­on von Sei­ten­ein­stei­gern – das ist der Vier­klang, den wir den For­de­run­gen der Volks­in­itia­ti­ve ent­ge­gen­set­zen, die auf mehr Büro­kra­tie und wei­te­re Qua­li­täts­ver­lus­te hin­aus­lau­fen und damit dem Übel nicht abhel­fen, son­dern die Kri­se nur wei­ter ver­tie­fen würden.

(Der Abge­ord­ne­te trinkt aus dem Wasserglas)

Prä­si­den­tin Gabrie­le Brakebusch:

Sie waren am Ende, Herr Dr. Tillschneider?

Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD):

Ja, das war es.

(Bei­fall bei der AfD)

Prä­si­den­tin Gabrie­le Brakebusch:

Okay. Vie­len Dank für Ihren Bei­trag. – Ich sehe kei­ne wei­te­ren Wortmeldungen.

(Tho­mas Jae­ger, Ver­trau­ens­per­son der Volks­in­itia­ti­ve, mel­det sich zu Wort)

- Herr Jae­ger, das ist eigent­lich nicht üblich. Aber es ist heu­te ja auch eine außer­ge­wöhn­li­che Situa­ti­on, des­halb gestat­te ich es Ihnen. Bit­te, Herr Jaeger.

Tho­mas Jae­ger (Ver­trau­ens­per­son der Volksinitiative):

Auch wenn ich jetzt wie­der hier in der lin­ken Ecke ste­he, wie Sie das nen­nen: Ich bin Ver­tre­ter der Volks­in­itia­ti­ve und woll­te gern von Ihnen zwei Din­ge geklärt haben: In den ers­ten bei­den Sät­zen hat­ten Sie wie­der­holt, dass die Volks­in­itia­ti­ve fal­sche Ansät­ze habe. Ist das richtig?

Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD):

Ja.

Tho­mas Jae­ger (Ver­trau­ens­per­son der Volksinitiative):

Ich möch­te nur noch ein­mal beto­nen, weil 100 000 Wäh­ler eine nicht gerin­ge Zahl sind, die die Sät­ze, die in der Volks­in­itia­ti­ve stan­den, gele­sen und unter­schrie­ben haben.

Mei­ne zwei­te Fra­ge ist, da Sie sich sehr auf inhalt­li­che Aspek­te kon­zen­trier­ten: Haben Sie sich mit der gesam­ten Leh­rer­pro­ble­ma­tik inhalt­lich beschäftigt?

Prä­si­den­tin Gabrie­le Brakebusch:

Herr Dr. Till­schnei­der, Sie haben das Wort.

Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD):

Ich will es noch ein­mal erklä­ren: Wir dif­fe­ren­zie­ren streng zwi­schen dem Unmut der Bür­ger, der berech­tigt ist, und zwi­schen den Lösungs­an­sät­zen, die Sie prä­sen­tie­ren. Wir sagen, dass die­se Lösungs­an­sät­ze nicht taug­lich sind, weil Sie ein­fach nur auf Qua­li­tät und nicht auf Quan­ti­tät setzen.

(Tho­mas Lipp­mann, DIE LINKE: Kei­ne Ahnung!)

Sie haben vor­hin einen Satz gesagt, wie: „Wenn wir nur genug Quan­ti­tät haben, dann passt es mit der Qua­li­tät.“ Das ist Unsinn. Sie wür­den die Kri­se des Bil­dungs­we­sens nur ver­tie­fen, weil Sie unqua­li­fi­zier­te Leu­te in den Schu­len ein­stel­len wür­den. Die­se säßen dann dort, und man könn­te sie spä­ter nicht mehr ent­las­sen. Es wür­den uns die Spiel­räu­me feh­len, um Qua­li­fi­zier­te ein­zu­stel­len, wenn wir in Zukunft viel­leicht wie­der mehr Leh­rer aus­bil­den. Ihre Lösung ist kei­ne Lösung für das Pro­blem. Wir schla­gen des­halb eine Alter­na­tiv­lö­sung vor. – Das dazu.

Dass ich mich mit der Situa­ti­on an Schu­len beschäf­tigt habe, davon kön­nen Sie aus­ge­hen. Wir haben in der Frak­ti­on einen Arbeits­kreis „Bil­dung, Kul­tur und Wis­sen­schaft“. Dort waren schon Ver­tre­ter von Leh­rer­ver­bän­den zu Gast, nicht von der GEW, aber von ande­ren. Ich bin in Kon­takt mit Schu­len, Leh­rer schrei­ben mich stän­dig an, ich bin in Kon­takt mit Leh­rern. Gehen Sie also davon aus, dass das fun­diert ist.

(Bei­fall bei der AfD – Tho­mas Jae­ger, Ver­trau­ens­per­son der Volks­in­itia­ti­ve, mel­det sich zu Wort)

Prä­si­den­tin Gabrie­le Brakebusch:

Es gibt doch noch eine Nach­fra­ge. Danach wür­de ich wei­ter­ma­chen. Bitte.

Tho­mas Jae­ger (Ver­trau­ens­per­son der Volksinitiative):

Mir ist nur noch ein­mal Fol­gen­des wich­tig, damit das rich­tig rüber­kommt: Wenn Sie sagen, dass wir kei­ne Lösun­gen anbie­ten: Ich bin mir ziem­lich sicher, dass Sie die Lösun­gen, die wir ange­bo­ten haben, ent­we­der über­le­sen haben, oder … Falsch kann es nicht sein, wenn sich Leh­rer in unse­rem Land bewer­ben und wir nur durch die Aus­schrei­bungs­pra­xis eini­ge Leh­rer ver­lie­ren. Dass die­se Lösun­gen ein­fach abge­tan wer­den, ist für mich ein Aus­druck des­sen, dass Sie grund­sätz­li­che Lösungs­an­sät­ze aller, die sich hier bewe­gen, ein­fach so dahin­ge­stellt sein lassen.

(Zuruf von der AfD: Nein, die Lösun­gen sind falsch!)

Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der (AfD):

Nein, das mit die­ser Ein­stel­lungs­pra­xis stimmt nicht. Das ist ja nicht Ihre Haupt­for­de­rung, und damit wird man das Pro­blem auch nicht lösen. Ihre Haupt­for­de­rung ist: 1 000 Leh­rer mehr. Dazu fra­ge ich mich, woher Sie über­haupt wis­sen, dass es 1 000 qua­li­fi­zier­te Leh­rer gibt, die hier­her­pas­sen. Des­halb sagen wir nicht, 1 000 Leh­rer mehr: denn wir leben in Zei­ten des Leh­rer­man­gels, und es ist schwer, qua­li­fi­zier­te Leh­rer zu fin­den. Wir sagen: Wir müs­sen mehr Geld in die Hand neh­men, damit haben Sie recht. Es muss mehr Geld in die Hand genom­men wer­den, aber wir kön­nen nicht sagen, wir for­dern 1 000 Leh­rer mehr; denn wir wis­sen über­haupt nicht, ob es die­se 1 000 Leh­rer gibt. Also: mehr Geld, und dann mit aller Kraft nach Leh­rern suchen, auch nach Sei­ten­ein­stei­gern, und anders, als Sie es wol­len, auf die Qua­li­fi­ka­ti­on ach­ten. Nun ver­ste­hen Sie hof­fent­lich, wor­in sich unser Ansatz von Ihrem unterscheidet.

(Bei­fall bei der AfD – Zuruf von Tho­mas Lipp­mann, DIE LINKE)