Pazderskis Ablenkungsmanöver
Die Grundzüge der wenig originellen Argumentation sind schon aus Petrys Zukunftsantrag oder den Verschriftlichungen eines Frank-Christian Hansel her bekannt. Petry findet sich übrigens neben reichlich verflossener AfD-Prominenz (Pretzell, gar Trebesius und andere) im Verteiler von Pazderskis Rundmail. Hier sagt der Kreis der Erstadressierten im Grunde schon alles. Pazderski trägt vor: Wenn die AfD keine wirkungslose, politisch unproduktive Kraft bleiben will, muß sie schnellstmöglich mitregieren und dazu muß sie sich von radikalen Kräften trennen. Namentlich nennt er nur Pegida, man weiß aber, wen er sonst meint. Die Partei muß bürgerlicher auftreten, weil sie nur so die Massen enttäuschter CDU- und FDP-Wähler anzieht und nur so bei potentiellen Koalitionspartnern das Vertrauen erwirbt, das sie braucht, um als Regierungspartner akzeptiert zu werden.
Pazderski umreißt die politische Zielrichtung der AfD nur sehr vage und widersprüchlich. Es ist die Rede davon, daß die „Wähler der AfD“ eine „neue Politik“ für unser Land wollen. Die übergroße Mehrheit will „deutliche Korrekturen“. Es geht um einen „zukunftsfähigen Kurs“. Gefordert ist „schnelles, entschlossenes Handeln“. Nun gibt es wohl hundert Arten, „neu“, „deutlich“ und „zukunftsfähig“ zu sein und „schnell“ und „entschlossen“ zu handeln. All das verläuft sich in der Beliebigkeit eines „Halt mal was Neues“. Pazderskis Zeilen durchweht der ganz und gar nichtssagende redensartliche “frische Wind”.
Mitunter widerspricht er sich auch. Pazderski bringt es fertig, sich gegen „fortschreitenden Individualismus“, aber auch gegen „Gleichmacherei“ zu positionieren. Er beklagt, daß Arm und Reich auseinanderdriften, und plädiert doch auch gegen „Umverteilung“ – dabei müßte er, wäre es ihm damit ernst, das Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern, Maßnahmen ergreifen, die in liberaler Polemik natürlich als „Umverteilung“ verschrien sind.
Pazderski wirft denen, die in der AfD eine Protestpartei sehen, vor, daß sie nur sagen, „wogegen“ sie sind, aber nichts „zur Lösung der Probleme“ beitragen, sondern sie nur beschwören. Dabei beschwört er selbst von „verdeckter Arbeitslosigkeit“ über „Bildungsverfall“ und „Islamisierung“ bis hin zur „Rentenmisere“ so ungefähr alle Übel dieses Landes, ohne auch nur anzudeuten, wie die Abhilfe aussehen müßte.
Pazderski sieht eine AfD nach seinen Vorstellungen bei 20% und mehr, während eine Protestpartei-AfD bei 7 bis 12% verharren soll, geht aber davon aus, daß wir, wenn wir koalieren, einen Preis in Form empfindlicher Stimmenverluste zahlen müssen. Was denn nun?
Pazderski verspricht alles und auch das Gegenteil. Er scheut eine klare, sachliche Positionierung und – das ist sein Trick – tarnt sachliche Fragen als Stilfragen. Er wirft denen, die er für seine Gegner hält, vor, daß sie zu laut, zu unsachlich und zu wenig bürgerlich seien, was ein wahrhaftes Zauberwort ist, unter dem jeder alles verstehen darf. Ich z.B. denke, wenn ich „bürgerlich“ höre, immer an eine dampfende Rindsuppe mit Markklößchen und Petersilie. Gut-bürgerliche Küche eben.
Falsch daran ist, daß Stilfragen in der AfD gerade keine Bruchlinien markieren. Die grundsätzlich Orientierten können genauso sachlich sein, wie die Anpassungsbereiten durch Abseitigkeiten provozieren können. Die Vorstellung, Merkel das Fleisch vom Kadaver zu reißen (von Storch) ist genauso bizarr wie die Bezeichnung von Linksextremisten als „Wucherungen am deutschen Volkskörper“ (Poggenburg). Und die AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt hat mindestens genauso fundierte Sacharbeit abgeliefert wird die AfD-Fraktion in Berlin. Darum geht es also nicht. Die Strömungen der Partei unterscheiden sich nicht im Stil, sondern im politischen Willen. Hüben wie drüben gibt es die Sachlichen und die Krawallmacher. Wenn sich die Strömungen in der Partei in etwas nicht unterscheiden, dann wohl darin.
Selbstverständlich müssen wir zur CDU als einem möglichen Koalitionspartner Vertrauen aufbauen und selbstverständlich will niemand in der Partei eine Revolution. Alles Plattitüden! Pazderski spielt sich als Hüter der Allgemeinplätze auf, um eigene Konsensfähigkeit zu suggerieren und, wichtiger noch, um das, worauf es ankäme, zu verschweigen. Das, worauf es ankommt, sind die Schlüsse, die wir aus der Misere ziehen, die Pazderski nur diagnostiziert, um keinen Widerspruch zu erregen. Wollen wir die EU nur reformieren oder wollen wir sie verlassen, damit wir die Chance bekommen, ein neues Europa der Vaterländer zu bauen? Wollen wir mit der NATO ebenso verfahren oder wollen wir weiterhin unterstützen, daß die NATO von den US für ihr imperiales Streben mißbraucht wird. Wollen wir im Sinne einer globalistischen Agenda Einwanderung nur besser organisieren oder nehmen wir die große Remigration in Angriff? Wollen wir es weiter dulden, daß unser Rentensystem zugrunde gerichtet wird, um den international agierenden Banken ein neues Geschäftsfeld zu erschließen? Das sind die entscheidenden Fragen.
Pazderski vermeidet Antworten. Weshalb sagt er nicht, was er will? Wenn das, was er wollte, die Zustimmung von 4/5 aller AfD-Sympathisanten hätte, dann könnte er’s doch sagen. Er sagt es aber nicht, weil er wohl weiß, daß die Mehrheit der Partei es nicht will. In Essen wurde er bei seiner Kandidatur gefragt, ob er Transatlantiker sei. Er ist der Frage ausgewichen. Die Wahrheit ist: Er ist Transatlantiker durch und durch, der in seinem Bundesfachausschuß fragwürdige Strategiepapiere verteilt und dem noch kein grundsätzliches Wort der Kritik an den USA über die Lippen gekommen ist. Er war Jahrzehnte Offizier in NATO-Stäben – von ihm ist keine Umorientierung unserer Außen- und Sicherheitspolitik weg vom willfährigen Partner der USA hin zu einer selbstbewußten Nation zu erwarten.
Sein großes Vorbild ist die FPÖ, die sich nach der Regierungsbildung in Österreich beeilt hat, ein Bekenntnis zur EU abzulegen. Und wofür? Für ein etwas langsameres Tempo beim großen Austausch und etwas weniger Geld für Linksextremisten. Wir sollten diesem Beispiel nicht folgen.
Vor allem aber ist Pazderskis Analyse falsch, weil sie sich in überlebten Kategorien bewegt. Der herrschende Allparteienkonsens besteht darin, daß die CDU ihre konservative Gesellschaftspolitik und die SPD ihre soziale Wirtschaftspolitik aufgegeben haben und alle etablierten Parteien nun eine asoziale Wirtschaftspolitik mit einer linken Gesellschaftspolitik verbinden. Die Alternative dazu wäre, eine soziale Wirtschaftspolitik mit einer konservativen Gesellschaftspolitik zu verbinden. Nach einem solchen, die hergebrachten Kategorien sprengenden, echt patriotisch-sozialen Angebot auf dem politischen Markt besteht die höchste Nachfrage, weil es der konsequente Gegenentwurf zum Altparteienkartell ist. Wie Augstein freilich in einer böswilligen Terminologie, aber sachlich richtig analysiert hat, liegt darin das Erfolgsrezept der AfD (Augstein, SPIEGEL Online, 05.02.2018, “Die AfD und der nationale Sozialismus”).
Vor den Hintergrund von Augsteins Analyse gelesen, wird klar, daß Pazderski sein Papier in die Welt gesetzt hat, um eben das zu verhindern. Pazderski will wie vor ihm schon Petry und wie vor ihr schon Lucke gerade nicht den durchschlagenden Erfolg der AfD. Seine scheuklappenartige Beschränkung auf das liberal-konservative Spektrum ist direkt gegen die sozial-patriotische Synthese als die maximale Mobilisierung und Ausschöpfung all unserer Möglichkeit gerichtet. Im Grunde will er die AfD so platzieren, daß sie dem Altparteiensystem nicht gefährlich wird. Das zu wollen, ist sein gutes Recht, aber dann soll er es bitte auch sagen.
Hans-Thomas Tillschneider
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