Was heißt Sozialpatriotismus? Der Fall „Tank und Rast“
Mit der Begründung „Pecunia non olet – Geld stinkt nicht“ soll der römische Kaiser Vespasian (gest. 79 n. Chr.) seinerzeit die Einführung einer Toilettensteuer verteidigt haben. Die Zustände an unseren Autobahnraststätten lassen sich nicht so einfach rechtfertigen.
Ein Euro kostet dort die Verrichtung des Bedürfnisses, das eigentlich niemand versagt werden kann und das man deshalb auch das „menschliche“ nennt. Für den Euro spuckt der Automat am Drehkreuz eine Quittung aus, die zugleich einen Einkaufsbon über 50 Cent darstellt, der aber erst ab einem Mindesteinkaufswert von 2,50€ in den Geschäften drumherum eingelöst werden kann. Es handelt sich also um einen Rabatt von maximal 20% auf Waren die mindestens 100% überteuert sind, denn die Preise in diesen Geschäften sind obszön. Das Ganze heißt dann zu allem Überfluß „Sanifair“. Man hätte es im Jargon besser „Piss once – Pay twice“ nennen sollen, dann fair ist daran gar nichts, und es stinkt gewaltig, wie übrigens fast alles, was sich in der Werbewelt als „fair“ ausgibt. Auch „Fairtrade“ dient in Wahrheit nur dazu, dem gemeinen Gutmenschen die tägliche Dosis des Gefühls, er sei auch ein guter Mensch, überteuert zu verkaufen.
Nun ist die Presse auf die Sache aufgesprungen und wundert sich: Die Bürger lassen Millionenwerte an Sanifairbons verfallen. Richtig so! Wegwerfen ist das Klügste, was man mit diesen Sanifairbons machen kann. Sanifair lohnt sich nicht nur nicht, es ist ein Musterbeispiel dafür, wie unser Land durch das internationale Finanzkapital ausgebeutet wird.
1998 hat die damals scheidende Bundesregierung als eine ihrer letzten Handlungen die „Tank und Rast“-Gmbh, zu der Sanifair gehört, privatisiert. Am Anfang war daran zu 30% noch die Lufthansa beteiligt, doch schon bald wurde „Tank und Rast“ von Heuschrecke zu Heuschrecke weitergerecht. Überhöhte Gewinnausschüttungen haben einen gewaltigen Renditedruck erzeugt. Alle durften sich im Laufe der üblichen Eigentümerodyssee einmal sattessen. Die Struktur blieb entgegen aller liberalen Heilsversprechen bis heute monopolistisch. Über 90% der Autobahnraststellen sind immer noch in Hand der Tank & Rast. Von der in den Privatisierungsorgien der 90er Jahre vielbeschworenen Selbstregulation des Marktes keine Spur. Das Ganze ist ein privatisiertes Monopol, eine Lizenz um Gelddrucken, die auch weidlich ausgenutzt wird.
Aktuell soll das Unternehmen nach Angaben der FAZ über einige Verschachtelungen letztlich zwei Fonds gehören, die auf den britischen Inseln Guernsey und Jersey sitzen – zwei berüchtigte Steueroasen (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/sanifair-toiletten-reibach-an-der-raststaette-11804288.html) Sehr ausführlich und kritisch auch dieser Bericht: https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2018/03/Sanifair-Wertbons-Einloesequote-Geschaeft-Millionen-Tank-Rast.html
Es wäre interessant, einmal zu berechnen, wieviel der 2,79€, die wir an der Autobahnraststätte für einen halben Liter abgepacktes Leitungswasser bezahlen, auf den Kanalinseln landen. Nicht nur die Ausbeutung der Bürger durch Steuern und Abgaben ist Ausbeutung, auch diese Form der unfreien Marktwirtschaft gehört dazu. Sie ist im Grunde noch verwerflicher, denn sie zieht das Geld nicht in den Bundeshaushalt, wo es größtenteils noch uns Deutschen wieder zugutekommt, sondern pumpt es aus Deutschland heraus.
Es geht nicht um die Frage, ob der Staat als Unternehmer fungieren soll. In den 90ern wurde jede hochverräterische Verschleuderung von Volksvermögen mit dem Slogan „Privat vor Staat“ gerechtfertigt. Dieser Slogan führte zu luftigen Grundsatzdebatten, wobei die Option „Staat“ durch das Scheitern der UdSSR a priori für widerlegt galt. Die entscheidenden Fragen wurden so gar nicht gestellt.
Gegen diese Pseudodebatten kann nicht oft genug betont werden: Es geht nicht um „Staat vs. Privat“! Eine Verstaatlichung wäre bei einem Staat, der unser Volksvermögen auf anderem Wege verschleudert – Stichwort EU – genauso schädlich, umgekehrt ist aber auch eine Art der Privatisierung denkbar, die dem Volke zugutekommt. Wäre die bundeseigene Monopolistin Tank und Rast Gmbh zerteilt und die Raststätten an viele kleine deutsche Unternehmen und einzelne Unternehmer verkauft worden, wären – erstens – die Konkurrenzmechanismen nicht außer Kraft gesetzt worden, infolgedessen wären – zweitens – die Preise an Autobahnraststätten moderat geblieben und – drittens – wäre der Gewinn aus den Unternehmungen auf viele tüchtige Bürger verteilt worden, die die Chance bekommen hätten, sich aus eigener Kraft und eigenem Fleiß eine Existenz zu erarbeiten. Solche Unternehmer hätten für ihre Angestellten anders als die Heuschrecken von den Kanalinseln Verantwortung gezeigt und – viertens – bessere Löhne gezahlt.
Weil die Bundesregierung, bei der es keinen Unterschied macht, ob sie sich rot-grün oder sonstwie nennt, gerade das aber nicht wollte, dürfen – erstens – die Kunden Wahnsinnspreise bezahlen, während – zweitens – die Angestellten der Tankstellen zu Hungerlöhnen arbeiten, – drittens – die Franchisenehmer am Rande der Insolvenz wirtschaften und – viertens – Riesengewinne in internationalen Finanzströmen versickern.
Die Geschichte der Tank und Rast GmbH, die sich seit den 1990er Jahren so hundertfach und tausendfach in Deutschland abgespielt hat, erklärt konkret, weshalb unser Wohlstand dahinschmilzt und weshalb immer mehr fleißige Bürger trotz Arbeit arm bleiben. Eine AfD, die eine echte Alternative sein will, muß diese Verhältnisse beim Namen nennen. Der Fall zeigt: Globalisierung ist kein Schicksal, das über uns hereinbricht, sondern ist von den Politikern der Altparteien in hunderten von falschen Entscheidungen gemacht. Alles aber, was von Politikern gemacht ist, kann auch von Politikern rückgängig gemacht werden.
Alle etablierten Parteien, auch und gerade die Linken, vertreten letztlich das Interesse des internationalen Finanzkapitals – die einen intensiver, die anderen nicht ganz so intensiv, die einen mit mehr Heuchelei, die anderen mit weniger, die einen mit dieser Begründung, die anderen mit jener. Die AfD als eine sozial-patriotischen Volkspartei muß dagegen eine Wirtschaftspolitik vertreten, die allein dem Lebensstandard in Deutschland verpflichtet ist. Sie muß dafür eingefahrene Argumentationsmuster verlassen und einen neuen ökonomischen Patriotismus wagen, der vom Neoliberalismus gleichweit entfernt ist wie vom Sozialismus. Eben das heißt sozial-patriotisch sein!