1. Dezember 2018

Wollt Ihr die totale Migration? Wollt Ihr sie, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir sie uns heute überhaupt erst vorstellen können?

Der UN-Migra­ti­ons­pakt scheint ein wider­sprüch­li­cher Text zu sein. Er dif­fe­ren­ziert einer­seits klar zwi­schen Migran­ten und Flücht­lin­gen, spricht dann aber das, was im Jar­gon des links­li­be­ra­len Estab­lish­ments „Kli­ma­flücht­ling“ heißt, als „Migrant“ an. Er erklärt einer­seits, daß ein Ver­bleib in der Hei­mat geför­dert wer­den soll, dann aber for­dert er eine Fül­le von Anrei­zen zur Aus­wan­de­rung. Daß er über 70mal Ver­pflich­tun­gen pos­tu­liert, aber nichts­des­to­trotz sei­ne Unver­bind­lich­keit betont, ist sogar der Main­stream­pres­se auf­ge­fal­len. Er klingt stel­len­wei­se nach AfD-Pro­gramm, stel­len­wei­se dann wie­der ganz so, als hät­ten die Grü­nen diktiert.

Ich hielt das zuerst für eine Ver­tei­di­gungs­stra­te­gie und ein Ver­wirr­spiel zur Kaschie­rung einer knall­har­ten Migra­ti­ons­agen­da. Eta­blier­te Poli­ti­ker behaup­ten eben ger­ne alles und das Gegen­teil, um zu ver­ber­gen, was sie wirk­lich wol­len und sich bei Angrif­fen aus jeder Rich­tung auf die jeweils oppor­tu­ne Posi­ti­on zurück­zie­hen zu kön­nen. Doch das ist zu kurz gedacht. Es gibt eine Per­spek­ti­ve, unter der sich die Wider­sprü­che lösen und guten Sinn ergeben.

Der Migra­ti­ons­pakt spricht davon, die „nach­tei­li­gen Trieb­kräf­te“ mini­mie­ren zu wol­len, „die Men­schen dazu brin­gen, ihre Hei­mat­län­der zu ver­las­sen.“ Die Rede von nach­tei­li­gen Trieb­kräf­ten setzt vor­aus, daß es auch nicht-nach­tei­li­ge Trieb­kräf­te gibt, die Men­schen dazu brin­gen, ihre Hei­mat­län­der zu ver­las­sen. Die­se Trieb­kräf­te sol­len, so muß man schlie­ßen, nicht besei­tigt, womög­lich sogar geför­dert wer­den. Liest man die Erläu­te­run­gen, wird klar: Das Gan­ze ist so gemeint, daß es doch scha­de wäre, wenn Afri­ka­ner und Ori­en­ta­len nur dann nach Euro­pa kom­men, wenn es in Afri­ka und im Ori­ent Krieg gibt oder Natur­ka­ta­stro­phen um sich grei­fen. Sie sol­len auch bit­te schön kom­men, wenn Frie­den herrscht. Sie sol­len kom­men, wann sie wol­len. Und sie sol­len wollen.

Der Migra­ti­ons­pakt for­dert sodann, die Rück­kehr der Migran­ten in ihre Hei­mat- und Aus­gangs­län­der zu erleich­tern. Das ver­blüfft. Doch bei nähe­rem Hin­se­hen wird klar: Es geht mit­nich­ten dar­um, die gro­ße Remi­gra­ti­on in Angriff zu neh­men und die Über­frem­dung west­li­cher Indus­trie­na­ti­on zu lin­dern. Nein, es geht nicht dar­um, die Ord­nung der Welt ent­lang kul­tu­rel­ler und eth­ni­scher Bruch­li­ni­en zu erhal­ten; das Ziel bei der Rück­füh­rung ist schlicht die Erhö­hung der Mobi­li­tät im Sin­ne eines stän­di­gen Hin und Her.

Es wäre doch ein Migra­ti­ons­hemm­nis, wenn jeder, der aus­wan­dern will, eine Lebens­ent­schei­dung tref­fen und mit sei­ner alten Hei­mat abschlie­ßen müss­te. Das soll nicht mehr sein. Der UN-Migra­ti­ons­pakt will eine unver­bind­li­che Migra­ti­on auf Pro­be mit stän­di­ger Rück­kehr­op­ti­on, weil sich dann mehr Men­schen fürs Aus­wan­dern ent­schei­den. Daher auch die For­de­rung, Migran­ten das poli­ti­sche Enga­ge­ment in ihrer Hei­mat zu ermög­li­chen, oder die For­de­rung, Geld­über­wei­sun­gen in die alte Hei­mat zu erleich­tern. All das ist zwar der Inte­gra­ti­on nicht unbe­dingt för­der­lich, doch anschei­nend soll gera­de die­ses Kon­zept über­wun­den werden.

Inte­gra­ti­on im alten und noch immer vor­herr­schen­den Ver­ständ­nis setzt die Inte­gri­tät von Natio­nal­staa­ten vor­aus. Men­schen ver­las­sen ihre Hei­mat, las­sen sich in der Frem­de nie­der und wer­den dort assi­mi­liert und inte­griert, so daß sie schlu­ßend­lich eine neue Hei­mat gewin­nen. Die­ses Ver­ständ­nis von Migra­ti­on und Inte­gra­ti­on beruht auf Unter­schei­dun­gen zwi­schen Hei­mat und Nicht-Hei­mat, zwi­schen Her­kunfts­land und Ziel­land, zwi­schen dem Eige­nen und dem Frem­den. Und genau die­se Unter­schei­dun­gen, das Den­ken in die­sen Kate­go­rien will der Migra­ti­ons­pakt über­win­den, indem er eine radi­kal glo­ba­le Sicht einnimmt.

Im Welt­staat, getra­gen von einer Welt­be­völ­ke­rung, kann es kei­ne Inte­gra­ti­on mehr geben. Und genau dar­auf will der UN-Migra­ti­ons­pakt hin­aus. Er ist die ers­te Vor­stu­fe zur Errich­tung eines Welt­staa­tes. Die Migran­ten sind die Pio­nie­re die­ses Pro­jekts. Indem sie als Tür­ken in Ber­lin Sozi­al­hil­fe bezie­hen, davon ihre Ange­hö­ri­gen in der Tür­kei mit­ver­sor­gen, Kanak-Sprak spre­chen, das Par­la­ment von Anka­ra wäh­len, abwech­selnd Erdo­gan und Mer­kel fei­ern, über­spie­len sie die Gren­ze zwi­schen Deutsch­land und der Tür­kei. Wer als Syrer in Deutsch­land Asyl bean­tragt und sich nach Erhalt des posi­ti­ven Beschei­des zur Fei­er als ers­tes einen Hei­mat­ur­laub in Damas­kus geneh­migt und dann dort mit Deutsch-Syrern die in Deutsch­land ange­nom­me­ne Gewohn­heit des abend­li­chen Bier­trin­kens prak­ti­ziert, der nimmt der Abgren­zung zwi­schen den bei­den Staa­ten ihre Bedeutung.

Die Glo­ba­li­sie­rung soll nicht mehr nur ein Pro­jekt der Eli­ten blei­ben, getra­gen von einer klei­nen Schicht inter­na­tio­na­ler Vaga­bun­den, die in New York genau­so zuhau­se sind wie in Ber­lin und die Alex­an­der Gau­land vor kur­zem in der FAZ tref­fend beschrie­ben hat. Die­ses inter­na­tio­na­le Vaga­bun­den­tum soll nun ver­brei­tert und popu­la­ri­siert wer­den, weil es die Säu­re ist, die unse­re Natio­nal­staa­ten zerfrißt.

Der UN-Migra­ti­ons­pakt ist nicht ein­fach nur ein Pakt für etwas mehr Migra­ti­on, in ihm deu­tet sich ein neu­es Ver­ständ­nis von Migra­ti­on an, ein Ver­ständ­nis von Welt­bin­nen­mi­gra­ti­on, die dann genau­so wie die Frei­zü­gig­keit inner­halb eines Lan­des das unab­weis­ba­re Recht jedes Welt­staats­bür­gers und also Men­schen­recht ist. Erst damit erschließt sich die stra­te­gi­sche Ziel­set­zung: Der UN-Migra­ti­ons­pakt will auf die tota­le Mobil­ma­chung der Welt­be­völ­ke­rung hin­aus, um durch das stän­di­ge Hin und Her der Migran­ten die Gren­zen zwi­schen den Natio­nal­staa­ten auf­zu­he­ben. Die Mas­sen der Migran­ten sind der Schleif­sand, der die Mau­ern zwi­schen den Staa­ten die­ser Welt nicht erup­tiv zum Ein­sturz bringt – nein, das wäre dem gro­ßen Ziel nicht för­der­lich, son­dern bit­te schön „safe, order­ly and regu­lar“ Mil­li­me­ter für Mil­li­me­ter abträgt. Ste­ter Trop­fen höhlt den Stein, ste­te Migra­ti­on höhlt den Natio­nal­staat aus.

Zur Errei­chung die­ses Ziel ist es bes­ser, wenn pro Jahr eben nur 200.000 nach Deutsch­land kom­men und nicht eine Mil­li­on. Bei einer Mil­li­on wür­de die auto­chtho­ne Bevöl­ke­rung, durch Schock zur Erkennt­nis gebracht, die Gefahr rea­li­sie­ren, die ihr droht, und wür­de in effi­zi­en­te Abwehr­re­ak­tio­nen ver­fal­len. Der Migra­ti­ons­strom muß etwas gedros­selt wer­den, damit er auch in Zukunft wei­ter flie­ßen kann. Das Ent­schei­den­de an die­sem Pakt ist schlei­chend, hin­ter­grün­dig und steht zwi­schen den Zei­len. Um Men­schen­rech­te und Huma­ni­tät geht es nicht, sie fun­gie­ren nur als Pro­pa­gan­da­be­grif­fe und Lock­mit­tel. Der UN-Migra­ti­ons­pakt ver­spricht zwar, daß der Welt­staat ein Welt­so­zi­al­staat wird, aber dar­an kann nie­mand ernst­haft glau­ben. Die Stan­dards eines Welt­so­zi­al­staa­tes wären so lächer­lich nied­rig, daß sei­ne Umver­tei­lung ein nutz­lo­ses Ärger­nis wäre und es bes­ser wäre, die­ser Staat wäre über­haupt kein Sozi­al­staat. In jedem Fall wür­de er zum Zusam­men­bruch der noch funk­tio­nie­ren­den Sozi­al­staa­ten in Euro­pa führen.

Letzt­lich steht als ent­schei­den­de Trieb­kraft hin­ter all dem das Pro­fit­in­ter­es­se inter­na­tio­na­ler Groß­kon­zer­ne und vor allem Finanz­kon­zer­ne, die sich vom Welt­staat den ganz gro­ßen Gewinn­sprung ver­spre­chen. Staa­ten ohne Sozi­al­sys­tem wer­fen inter­na­tio­na­len Finanz­in­ves­to­ren mehr Pro­fit ab als Staa­ten mit Sozi­al­sys­tem. Die welt­wei­te Ver­ein­heit­li­chung der Struk­tu­ren spart Ver­wal­tungs­auf­wand und macht oben­drein  die Märk­te bes­ser mani­pu­lier­bar und beherrsch­bar. Das letz­te Anlie­gen des UN-Migra­ti­ons­pak­tes ist, die Welt regier­ba­rer zu machen.

Der Wider­stand gegen den Migra­ti­ons­pakt setzt des­halb nicht nur Kri­tik an Migra­ti­on, son­dern ein star­kes und grund­sätz­li­ches Bekennt­nis zum sou­ve­rä­nen Natio­nal­staat vor­aus. Im Grun­de geht es gar nicht um mehr oder weni­ger Migra­ti­on, es geht um den Fort­be­stand des Natio­nal­staa­tes.  Nicht nur die EU muß in ein Euro­pa der Vater­län­der trans­for­miert wer­den, auch die Ver­ein­ten Natio­nen soll­ten wie­der auf einen Völ­ker­bund im bes­ten Sinn zurück­ge­fah­ren wer­den, eine diplo­ma­ti­sche Ver­hand­lungs­platt­form, deren obers­ter Grund­satz die Nicht­ein­mi­schung in die inne­ren Ange­le­gen­hei­ten eines frem­den Staa­tes ist und die sich auf das Haupt­ziel beschränkt, Krie­ge zwi­schen Staa­ten zu ver­hin­dern. Allein eine sol­che Frie­dens­ord­nung der frei­en Natio­nal­staa­ten kann sich auf die Idee der Huma­ni­tät beru­fen. Den Men­schen an sich gibt es nicht; er ist immer Ange­hö­ri­ger einer Sprach- und Kul­tur­ge­mein­schaft, also eines Vol­kes. Ohne die­se Zuge­hö­rig­keit ver­liert er sei­nen Halt und sei­ne Wür­de. Das Sze­na­rio tota­ler Migra­ti­on ent­puppt sich dann als Aus­druck höchs­ter Men­schen­feind­lich­keit, als Angriff auf die kul­tu­rel­len Iden­ti­tä­ten der Mensch­heit, der mit­hil­fe geheu­chel­ter Bekennt­nis­se zu Human­ti­ät und Men­schen­wür­de durch­ge­führt wer­den soll.

 

Hans-Tho­mas Tillschneider