10. Mai 2024

Die Befreiung vollenden! – Dimensionen des 8. Mai

Kom­men­tar für das Frei­lich-Maga­zin vom 10.5.2024

Am 8. Mai 1945 ende­te der Zwei­te Welt­krieg in Euro­pa mit der Kapi­tu­la­ti­on der Wehr­macht. In sei­nem Kom­men­tar für FREILICH erklärt Hans-Tho­mas Till­schnei­der, was das Ver­mächt­nis die­ses his­to­ri­schen Tages ist.

Sowje­ti­sches Ehren­mal in Ber­lin© IMAGO / Joerg Boethling

Geht es um den 8. Mai, will mir eine Geschich­te nicht aus dem Kopf, die ich vor Jah­ren in irgend­ei­nem Buch über den Volks­ge­richts­hof der Natio­nal­so­zia­lis­ten gele­sen habe: Und zwar hat­te ein Bau­er aus dem Schwä­bi­schen bei Feld­ar­bei­ten im letz­ten Früh­ling des Hit­ler­re­gimes auf Hit­ler geschimpft und gewünscht, des­sen Herr­schaft möge nun bald enden. Ein ande­rer hat­te es gehört und den Behör­den hin­ter­bracht, wor­auf der Bau­er vor den Volks­ge­richts­hof gezerrt und in ganz kur­zem Pro­zess zum Tode ver­ur­teilt wur­de. Die Fami­lie schrieb noch einen Brief vol­ler Reue und bat um Gna­de. Der Vater sei uner­setz­lich auf dem Hof. Und was sol­le über­haupt aus den vier Kin­dern wer­den, das jüngs­te drei Jah­re alt? Das Regime kann­te kei­ne Gnade.

Unvor­stell­bar, die Stim­mun­gen, die die­se Fami­lie abends bei Tisch durch­lit­ten haben muss. Der Vater weg. Über den Hin­rich­tungs­zeit­punkt wur­den die Ange­hö­ri­gen nicht infor­miert. Leb­te er noch oder war er schon tot? Mors cer­ta hora incer­ta. Der alte Spruch bekam hier einen über­spitz­ten Sinn. Und dann die Flucht in trü­ge­ri­sche Hoff­nun­gen, die wie­der­um in Aus­brü­chen wil­der Trau­er als Selbst­täu­schun­gen erkannt wer­den muss­ten. Was wur­de aus den See­len der Kin­der? Die Herr­schaft des Unrechts ras­te und wucher­te. Sie erzeug­te tau­sen­de sol­cher Fäl­le, je mehr, des­to näher ihr Ende kam.

Schreckliche Verbrechen kurz vor Kriegsende

Gewiss, der 8. Mai, eine Befrei­ung vom Unrecht. Alle, die zu Unrecht ver­folgt, im Gefäng­nis saßen und auf ihre Hin­rich­tung war­te­ten, alle, die in Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern saßen, alle, die fürch­te­ten, der Freund, mit dem sie ihre Mei­nung geteilt hat­ten, sei ein Ver­rä­ter, alle, die das Unrecht erkannt und sich im Stil­len abge­wandt hat­ten, sie alle atme­ten auf. Es atme­ten alle auf, die nicht mehr ein­sa­hen, den seit Mona­ten ver­lo­re­nen Krieg wei­ter­zu­kämp­fen. Es atme­ten alle auf, die unser gelieb­tes, hei­li­ges Deutsch­land nicht den Hirn­ge­spins­ten eines Tau­ge­nichts opfern wollten.

Die­ser Hal­tung kön­nen wir uns anschlie­ßen. Wir kön­nen sagen: Ja, es war gut, dass das deut­sche Volk vom offe­nen Unrecht befreit wur­de. Nie wie­der möge das Unrecht über uns kom­men, wobei das Unrecht, wenn es wie­der­kehrt, sei­ne Gestalt gewan­delt haben wird und mit Sicher­heit kei­ne Kopie des Natio­nal­so­zia­lis­mus dar­stellt. Der 8. Mai: Tag der Befrei­ung vom Unrecht.

Für die deut­sche Armee frei­lich war der 8. Mai eine Nie­der­la­ge. Jeder Sol­dat will den Krieg, in dem er kämpft, gewin­nen. Die Poli­tik inter­es­siert ihn nicht. Er ist ein Arbei­ter im Kriegs­hand­werk. Er trifft kei­ne Ent­schei­dun­gen, er emp­fängt Befeh­le. Wird er miss­braucht, trifft ihn kei­ne oder nur eine sehr redu­zier­te und spe­zi­el­le Ver­ant­wor­tung. Die durch das Hit­ler­re­gime miss­brauch­te Wehr­macht war am 8. Mai besiegt wor­den. Der Miss­brauch ändert nichts dar­an, dass die deut­sche Armee im mili­tä­ri­schen Rin­gen unter­le­gen ist und des­halb nichts zu fei­ern hat. Die­se rein mili­tä­ri­sche Hal­tung ist die Hal­tung der Sol­da­ten und Tra­di­ti­ons­ver­bän­de und wur­de in Bun­des­wehr­krei­sen bis in die 1990er-Jah­re hin­ein gepflegt. Der 8. Mai: Tag der mili­tä­ri­schen Niederlage.

Die vollkommene Befreiung steht noch aus

Sodann ist der 8. Mai aus Sicht des deut­schen Vol­kes als Gesamt­heit – wie aus Sicht der Sie­ger! – auch ein Tag der Auf­tei­lung und Besat­zung. An die Stel­le des Deut­schen Rei­ches tra­ten Besat­zungs­zo­nen. Ganz Deutsch­land wur­de von Sie­ger­mäch­ten besetzt, die es unter sich auf­teil­ten. Wenn der Sie­ger aber zum Besat­zer wird, kann er uns sei­nen Sieg kaum als Befrei­ung ver­kau­fen. Der 8. Mai war so nur eine Befrei­ung vom Unrecht, kei­ne Befrei­ung des deut­schen Vol­kes. Deutsch­land wur­de von der Hit­ler­herr­schaft befreit, um es unter die Herr­schaft der Besat­zer zu stel­len. Und in den ers­ten Mona­ten war auch die­se Besat­zung Unrecht, denn wie will man die zahl­rei­chen Ver­bre­chen der Besat­zungs­trup­pen von den Rhein­wie­sen­la­gern bis zu den Ver­ge­wal­ti­gun­gen im Osten anders bezeich­nen? Die SS-Patrouil­len, die in Ber­lin noch in den ers­ten Mai­ta­gen ver­meint­li­che Deser­teu­re am nächst­bes­ten Later­nen­pfahl auf­hin­gen, wur­den in flie­ßen­dem Über­gang von Rot­ar­mis­ten abge­löst, die sich jede Frau nah­men, die ihnen ins Gesichts­feld kam. Mit der Zeit wur­de das Unrecht abge­stellt, aber die Besat­zung und Tei­lung Deutsch­lands blieb. Der 8. Mai: Tag der Besat­zung und Tei­lung Deutschlands.

Die Tei­lung ende­te 1990. Aber noch ste­hen 38.000 ame­ri­ka­ni­sche Sol­da­ten auf deut­schem Boden. Nur Ost­deutsch­land wur­de am 9. Sep­tem­ber 1994 befreit, als mit dem Nach­kom­man­do und dem Stabs­chef Gene­ral­oberst Ter­ent­jew die letz­ten rus­si­schen Sol­da­ten deut­schen Boden ver­lie­ßen. Vom Wes­ten aus aber kann der 8. Mai nur als Tag der Befrei­ung vom Unrecht, nicht als Befrei­ung von Volk und Land gese­hen wer­den. Ein Geden­ken an den 8. Mai soll­te des­halb in die Ver­ge­wis­se­rung mün­den, dass es heu­te dar­auf ankommt, die Befrei­ung zu voll­enden und ech­te Sou­ve­rä­ni­tät zu erlan­gen. Das ist das Ver­mächt­nis des 8. Mai. Die­se Schluss­fol­ge­rung, die aus dem 8. Mai zu zie­hen wäre, steht im Grund­satz­pro­gramm der Par­tei, die sich „Alter­na­ti­ve für Deutsch­land“ nennt: „Die AfD setzt sich für den Abzug aller noch auf deut­schem Boden sta­tio­nier­ten alli­ier­ten Trup­pen und ins­be­son­de­re deren Atom­waf­fen ein.“ Erst dann wäre die Befrei­ung des deut­schen Vol­kes voll­endet. Abschlie­ßend möge fest­ge­stellt sein, dass die AfD die ein­zi­ge ernst­zu­neh­men­de Par­tei in Deutsch­land ist, die die­se For­de­rung erhebt.


Zur Per­son:

Dr. Hans-Tho­mas Till­schnei­der ist Islam­wis­sen­schaft­ler und sitzt seit 2016 für die AfD im Land­tag Sach­sen-Anhalt. Dort ist er der kul­tur­po­li­ti­sche Spre­cher der AfD-Frak­ti­on. Wäh­rend der Zwei­ten Inti­fa­da (2000–2005) stu­dier­te er in Damaskus.

https://www.freilich-magazin.com/politik/die-befreiung-vollenden-dimensionen-des-8-mai

10.5.2024