Flexibilisierung der Klassenstärken zur Überbrückung des Lehrermangels
Antrag vom 29. August 2023
Drucksache 8/3045 (3 S.)
Kurzbeschreibung:
Konstatierung eines seit 1990 wachsenden Lehrkräftemangels und der Notwendigkeit von unkonventionellen Gegenmaßnahmen; Einführung einer Regelung zur befristeten Anpassung der Klassenstärke an die Unterrichtsversorgung
Antrag:
Flexibilisierung der Klassenstärken zur Überbrückung des Lehrermangels
Der Landtag wolle beschließen:
I. Der Landtag stellt fest:
1. Aufgrund des Versagens der Landesregierungen seit 1990 hat der Lehrkräftemangel ein dramatisches Ausmaß angenommen.
2. Die aktuelle Notsituation erfordert auch unkonventionelle Maßnahmen, die die Unterrichtsversorgung sichern und dem Lehrkräftemangel zeitnah ggf. mit temporären Maßnahmen entgegenwirken.
II. Die Landesregierung wird aufgefordert:
Es ist eine Regelung zu schaffen, wonach bei einer Unterrichtsversorgung von weniger als 90 Prozent die aktuell geltenden Klassenobergrenzen an allgemeinbildenden öffentlichen Schulen durch Entscheidung der Schulleitung so lange aufgehoben werden können, bis sich die Unterrichtsversorgung soweit verbessert hat, dass nach Rückkehr zu den Klassenobergrenzen eine Unterrichtsversorgung von langfristig über 95 Prozent gewährleistet ist. Dabei können auch Klassen zusammengelegt werden, wobei die derzeitige Klassenobergrenze überschritten werden darf.
Begründung
Die Flexibilisierung der Klassenobergrenzen kann angesichts des aktuellen Lehrermangels eine Lösung bieten, um die Unterrichtsversorgung sicherzustellen und trotz des Lehrermangels eine ausreichende Anzahl von Lehrkräften für alle Schüler zur Verfügung zu haben. Der Lehrermangel, insbesondere in bestimmten Fachbereichen, ist ein drängendes Problem, das sich in den Regionen und Schulformen unseres Landes in zwar unterschiedlichen Ausprägungen, jedoch ungebrochen besorgniserregend manifestiert. Dieser Mangel an Lehrkräften führt zwangsläufig zu einer Belastung der Unterrichtsversorgung.
Dass über eine Anpassung der Klassenfrequenzen nachzudenken ist, geht auch aus der Stellungnahme der KMK zum Lehrkräftemangel hervor. Hier wird betont, dass eine maßvolle und befristete Erhöhung der Klassenfrequenzen nicht mehr ausgeschlossen werden darf.[1]
Darum ist es in dieser Situation geboten, über unkonventionelle Mittel nachzudenken, die geeignet sind, die Unterrichtsversorgung sicherzustellen. Bevor für die Lehrkräftegewinnung die Qualifikationsmaßstäbe gesenkt werden, auf Seiteneinsteiger zurückgegriffen werden muss oder gar Lehrer ohne Abitur, also unterqualifizierte „Lehrkräfte“, eingestellt werden, ist es sinnvoller, temporär die Klassengröße zu öffnen und nach oben hin anzupassen. Dies würde nötige Spielräume erzeugen, um die Beschulung vor Ort bei Lehrkräftemangel zu ermöglichen. Statt Unterrichtsausfall soll auch mit größeren Klassenstärken der Unterricht abgesichert werden, wenn die räumlichen Verhältnisse dies zulassen.
Durch die Aufhebung der Klassenobergrenzen, nötigenfalls der Zusammenlegung von Klassen, erhalten Schulen die Möglichkeit, den Unterricht trotz des Lehrermangels zu organisieren und sicherzustellen, sodass jeder Schüler Zugang zu Bildung und Betreuung erhält. In größeren Klassen und einer höheren Schüler-Lehrkräfte-Relation können Lehrkräfte effektiver eingesetzt und Engpässe überbrückt werden.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Aufhebung der Klassenobergrenzen keine dauerhafte Lösung sein soll. Sie sollte als vorübergehende Kann-Regelung betrachtet werden, um die Unterrichtsversorgung sicherzustellen, bis nachhaltigere Lösungen für den Lehrermangel gefunden werden. Die Gewinnung und Ausbildung qualifizierter Lehrkräfte sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Attraktivität des Lehrerberufs sollten weiterhin Priorität haben.
Diese Maßnahme ist Bestandteil des aufbauenden Maßnahmenpakets, das die antragstellende Fraktion durch diverse Initiativen (z. B. „Lernrückstände aufholen - Bildungsschäden minimieren, Drucksache 7/7264; „Keine Reduzierung der Stundenzahlen für Kernfächer an den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen“, Drucksache 7/6264; „Sonderklassen für Flüchtlingskinder einführen - Schulen entlasten!“, Drucksache 7/1299; „Pensionierte Lehrer reaktivieren“, Drucksache 7/1145; „Bildungsqualität sichern, Bildungsverfall stoppen, Leistungsniveau anheben!“, Drucksache 8/1692; „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt“, (Einführung einer verbindlichen Schullaufbahnempfehlung), Drucksache 8/2354) zur Behebung grundsätzlicher und symptomatischer Probleme der Bildungslandschaft in unserem Bundesland bereits gefordert hat.
Oliver Kirchner Ulrich Siegmund
Fraktionsvorsitz Fraktionsvorsitz
[1] 1 https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/KMK/SWK/2023/SWK‐2023‐Stellungnahme_Lehrkraeftemangel.pdf, S. 23 ff. [01.06.2023].
29.8.2023