Ukraine, Remigration und Boomer-Gerede: Die Stunde der nützlichen Idioten
Am Sonntag, den 22. Juni 1941, hat Hitler-Deutschland die Sowjetunion überfallen. Rechtzeitig zum 84. Jahrestag dieser größten Dummheit in der deutschen Geschichte hat Tim Schramm, stellvertretender Kreisvorsitzender der AfD Wuppertal, seine kleine Dummheit bloßgestellt. Am 19. Juni 2025 erklärte er stolz auf X, dass er an der Seite der ukrainischen Truppen gegen Russland gekämpft habe. Dazu ein Bild mit Kalaschnikow in Tarnanzug und Kämpferpose[1]. Das Neocon-Organ NIUS[2] und die Junge Freiheit[3] haben, was zu erwarten war, Interviews voll Interesse, Anerkennung und Respekt veröffentlicht.
Schon am 8. Juni hatte ein Max Mannhart (ob er wirklich so heißt oder das nur sein Künstlername ist, ist nicht bekannt) auf Apollo einen Aufsatz[4] veröffentlicht, der die deutsche Rechte zur Solidarität mit der Ukraine aufruft. Lautstarken Applaus gab es u.a. von einem CDU-Landtagsabgeordneten aus Sachsen-Anhalt.
Schramm und Mannhart sind keine Einzelfälle, sondern ein Muster. Zu nennen wäre noch Erik Ahrens, der bei diesem Treiben eine führende Rolle spielt. Das sind Figuren, die sich frisieren und fotografieren, als wären sie einem Leni-Riefenstahl-Film entsprungen. Sie ergreifen das Wort nicht nur gegen einen russlandfreundlichen, sondern auch schon gegen einen nur neutralen Standpunkt im Ukraine-Konflikt und fordern die deutsche Rechte auf, sich an die Seite der Selensky-Ukraine zu stellen. Begründet wird dies zumeist assoziativ damit, dass die Ukraine ein Nationalstaat sei, im rechten Denken also „gut“, und von dem „bösen“ Multikulti-Imperium Russland bedroht werde. Alles, was als rechts gilt, von Wehrhaftigkeit, Männlichkeit und Tradition bis hin zu Souveränität und Nationalstolz wird auf Seiten der Ukraine in die Waagschale gelegt. Russland wiederum wird jede Konservativität, jede Verwurzelung im Glauben und jedes Nationalbewusstsein als unecht abgesprochen. Überflüssig zu betonen, dass dieses Bild nichts über die Ukraine und Russland aussagt, aber alles über diejenigen, die es zeichnen.
Den Altrechten, die mitunter jung an Jahren sein können, wird mehr oder weniger offen das Angebot gemacht, endlich wieder gegen Stalin, der jetzt Putin heißt, und gegen den bolschewistischen Untermenschen, der jetzt Russe heißt, kämpfen zu dürfen. Die Goebbels-Propaganda von einst wird, unterstützt von eher unbedeutenden Historikern, aufgewärmt, um den Überfall auf die Sowjetunion als Präventivkrieg zu rechtfertigen und im Anschluss an diese Tradition zu suggerieren, dass Kriege gegen Russland für uns Deutsche doch immer irgendwie gerechtfertigt seien.
Die Typen, die diese Botschaft im Netz propagieren, tun sich interessanterweise zugleich dadurch hervor, dass sie sich in den härtesten Remigrationsforderungen überbieten, sich als rebellische Jugend inszenieren und jeden, der ihnen widerspricht, als „Boomer“ oder „Russenstusser“ abqualifizieren. Tim Schramm hat auf NIUS ein Bild von Artilleriegranaten veröffentlicht, auf die „LG an alle Russenstusser“ geschrieben wurde, wozu die Mehrheit seiner Partei, zumindest aber die Ostverbände, gehören dürften. Und als wäre das nicht genug der Spaltung, provoziert das dümmliche „Boomer“-Gerede einen Generationenkonflikt von rechts und spaltet, wie es einst die 68er getan haben, das Volk, wo doch gerade Rechte das Miteinander der Generationen sehen sollten.
Ebenso schädlich die Remigrationsrhetorik. Die überfälligen Abschiebmaßnahmen, die nach der Definition des AfD-Bundesvorstands unter den Remigrations-Begriff[5] fallen und über die in weiten Teilen Einigkeit besteht, benötigen diese Rhetorik nicht. Der „Wer-schiebt-mehr-ab!“-Überbietungswettbewerb verunsichert ohne Not kürzlich eingebürgerte deutsche Staatsbürger, birgt das Risiko ethnischer Konflikte auf deutschem Boden und präsentiert dem Gegner die Begründung für ein AfD-Verbot auf dem Silbertablett. Richtig wäre eine Integrationsrhetorik unter Beibehaltung aller geplanten Abschiebemaßnahmen also im Wesentlichen das Konzept Krah, gegen das die Leni-Riefenstahl-Zombies Sturm laufen.
Am schädlichsten aber ist die Ukraine-Solidarität. Angesichts des Faktums, dass die deutsche Wirtschaft vom Handel mit Russland maximal profitieren würde und eine eurasische Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok ein nachhaltiges und in seiner Stärke historisch noch nicht dagewesenes Wirtschaftswachstum absichern würde und angesichts des Faktums, dass die Langzeitstrategie der USA (Trump hin oder her) gerade deshalb darin besteht, genau das zu verhindern und einen Keil zwischen Deutschland und Russland zu treiben und die NATO in der Ukraine nichts anderes als diese Strategie umsetzt, kann es keinen Zweifel geben: Feindschaft mit Russland fügt uns massiven Schaden zu. Freundschaft mit Russland entspricht unserem Interesse und hat deshalb nichts mit Unterwerfung zu tun, ganz im Gegenteil. Würden wir sie gegen die massiven Widerstände unserer Feinde durchsetzen, wäre sie Ausdruck höchster Souveränität.
Ukraine, Remigration und Boomer-Gerede: Die Position von Schramm, Mannhart u.a. ist nichts anderes als nützliches Idiotentum zum Schaden Deutschlands. Diese Welle an nützlicher Idiotie kommt nicht von ungefähr. Es hat schon vor Jahren damit angefangen, dass ultranationalistische ukrainische Jugend-Brigaden, die damals vom Mainstream noch misstrauisch beäugt wurden, Kontakte zur Identitären Bewegung aufgebaut haben. Als ein Bindeglied zum neofaschistischen „Asow-Bataillon“ fungierte etwa Mario Müller[6]. Es gab auch vor sieben oder acht Jahren einen Besuch im IB-Haus in Halle mit Vortragsabend, an dem ich selbst mangels Interesse an den ukrainischen Blut&Boden-Spinnern nicht teilnahm. Der wahre Sinn dieser Verflechtungen zeigte sich erst später.
Der ukrainische Nationalismus ist damals gezielt und zum Schaden der Ukraine selbst ins Extreme übersteigert und gegen Russland aufgebaut worden. Dabei hätte die Ukraine mehr noch als Deutschland vor allem Interesse an einem guten Verhältnis zu Russland. Dieses Konzept eines fehlgeleiteten, selbstdestruktiven Nationalismus soll nun auf Deutschland übertragen werden. Man sagt, Deutschland würde in der Ukraine verteidigt – wobei „Deutschland“ in diesem Kontext heißt, dass man das vergangene Hitler-Deutschland mobilisiert, um das woke Regenbogendeutschland zu verteidigen. Ein schäbiges Spiel, falsch, schädlich und abstoßend! Die junge Generation wird als Ansatzpunkt genutzt und mit einer auf ihre Wahrnehmung zugeschnittenen Ansprache geködert. Daher auch die Verklammerung mit dem Generationenkonflikt.
Die Ziele sind klar: Den Graben zwischen Deutschland und Russland vertiefen und Deutschland dadurch weiter schwächen; nebenbei die patriotische Opposition und die AfD als stärkste Kraft der patriotischen Opposition spalten; durch aggressives Boomer-Gerede einen weiteren Spaltkeil zwischen Jung und Alt setzen; durch überzogene und rechtswidrige Remigrationsforderungen Konflikte in Deutschland schüren und ein Verbot der AfD riskieren. Durchkreuzen wir diese Strategie eines irregeleiteten Nationalismus, wo auch immer sie in Erscheinung tritt!
[1] https://x.com/ogschrammi/status/1935776179803296199
[2] https://www.nius.de/interview/news/tim-schramm-afd-politiker-russland-ukraine-soldat/13b77990-06d6-49b4-afba-e72ed616f0a7
[3] https://jungefreiheit.de/debatte/interview/2025/die-ukraine-kaempft-auch-fuer-uns-warum-ein-afd-mitglied-in-den-krieg-zog/
[4] https://apollo-news.net/der-historische-ukraine-irrtum-von-rechts/
[5] https://www.afd.de/remigration/
[6] https://www.stern.de/politik/identitaere-bewegung–mario-mueller-der-militante-arm-der-bewegung-34377114.html
26.6.2025
Dieser Aufsatz wurde außerdem am 30.6.2025 auf dem Internetportal von COMPACT als Gastbeitrag veröffentlicht unter dem Titel:
Wie weiter, deutsche Rechte? Ein Diskussionsbeitrag
https://www.compact-online.de/wie-weiter-deutsche-rechte-ein-diskussionsbeitrag/