15. März 2021

Lehren aus den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz 2021

Nach der ers­ten 18 Uhr-Pro­gno­se habe ich ges­tern eine Kurz­ana­ly­se get­weetet, in ich noch von „gerin­gen“ Ver­lus­ten aus­ge­gan­gen bin (https://twitter.com/P_Plattform/status/1371152119647047685). Heu­te aber steht fest: Wir haben unser Ergeb­nis in BaWü von 15,1% 2016 auf 9,7% ver­schlech­tert – ein Rück­gang um 5,4% abso­lut oder 35% rela­tiv zu dem Ergeb­nis 2016. In RLP haben wir uns von 12,6 auf 8,3 % ver­schlech­tert. Wir haben ein gutes Drit­tel der Wäh­ler ver­lo­ren. Von gerin­gen Ver­lus­ten kann kei­ne Rede mehr sein. Die Ana­ly­se des Tweets aber gilt nach wie vor. Aus der Nie­der­la­ge von Baden-Würt­tem­berg und Rhein­land-Pfalz sind drei Leh­ren zu ziehen:

  1. Der Kampf gegen die eige­ne Par­tei muß sofort enden!

Cau­sa Kal­bitz. Wenn ein Leis­tungs­trä­ger, auf den ein gan­zes Wäh­ler­seg­ment sei­ne Hoff­nung setzt, mit einem wack­li­gen juris­ti­schen Trick unter Umge­hung eines Par­tei­aus­schluss­ver­fah­rens aus der Par­tei ent­fernt wird, und zur poli­ti­schen Begrün­dung die­ser Ent­schei­dung die Par­tei selbst die längst ver­gan­ge­ne Ver­gan­gen­heit die­ses Leis­tungs­trä­gers hoch­kocht und sys­te­ma­tisch skan­da­li­siert, muss man sich nicht wun­dern, wenn all jene, denen er weit über Bran­den­burg hin­aus einen Grund gab, die AfD zu wäh­len, sich abwenden.

Wenn dann die­se Akti­on nicht für sich bleibt, son­dern in eine Säu­be­rungs­wel­le ein­ge­bet­tet erscheint und so einem gan­zen Seg­ment der eige­nen Par­tei der Krieg erklärt wird, muss sich nie­mand wun­dern, wenn auch die­ses Wäh­ler­seg­ment sich abwen­det. Wer unse­re guten Wahl­er­geb­nis­se opfert, um die Beob­ach­tung durch den Ver­fas­sungs­schutz abzu­wen­den, denkt schon allein des­halb falsch, weil eine Beob­ach­tung durch den Ver­fas­sungs­schutz belie­big begründ­bar ist. Das ers­te Gut­ach­ten des Bun­des­am­tes mit sei­nen absur­den Argu­men­ta­tio­nen hat es gezeigt. Mit der dort prä­sen­tier­ten Logik läßt sich eine Beob­ach­tung auch unter Her­an­zie­hung von Pas­sa­gen aus unse­rem Stutt­gar­ter Grund­satz­pro­gramm irgend­wie begrün­den. Der Ver­fas­sungs­schutz wird also erst Ruhe geben, wenn er sei­nen Wil­len hat. Wenn er sei­nen Wil­len hat, ist die AfD aber ent­we­der nicht mehr da oder kei­ne Alter­na­ti­ve mehr.

In Baden-Würt­tem­berg und Rhein­land-Pfalz ist das Kal­kül des Ver­fas­sungs­schut­zes auf­ge­gan­gen: Durch die Andro­hung einer Beob­ach­tung wur­de dafür gesorgt, daß in der Par­tei gezielt die popu­lä­ren-popu­lis­ti­schen Leis­tungs­trä­ger unter Druck kom­men, damit die Wahl­er­geb­nis­se in den Kel­ler gehen. Nicht ohne Grund wird als neue Extre­mis­mus-Kate­go­rie die „Ver­schwö­rungs­theo­rie“ aus dem Hut gezau­bert, und als neu­er Grund, die AfD zu beob­ach­ten, wird die Nähe zu den Coro­na-Pro­tes­ten ins Feld geführt. Der Ver­fas­sungs­schutz ver­sucht, jede Opti­on zu ver­bau­en, die Wider­stän­de  gegen das Zer­stö­rungs­werk der Alt­par­tei­en bün­delt. Wer über die Stöck­chen springt, die ihm die­se Behör­de hin­hält, ist zum Miß­er­folg ver­dammt. Nicht die Beob­ach­tung durch eine miß­brauch­te und zutiefst unglaub­wür­di­ge Regie­rungs­be­hör­de scha­det uns, son­dern die Art, wie wir damit umge­hen. Ab sofort muss die Paro­le „Einig­keit!“ lau­ten und “Ver­tei­di­gung!”

  1. Die AfD muß sich deut­li­cher von FW und FDP abgrenzen!

Durch den sys­te­ma­ti­schen Auf­bau der Frei­en Wäh­ler und der FDP zu Schein­al­ter­na­ti­ven sol­len Wäh­ler von der AfD abge­zo­gen wer­den. Die­se Ent­wick­lung wür­den wir nur beschleu­ni­gen, wenn wir uns wei­ter den Frei­en Wäh­lern oder der FDP anglei­chen wür­den. Es gilt somit alles stark zu machen, was uns von Frei­en Wäh­lern und FDP unter­schei­det. Auf den Fel­dern Migra­ti­on, Ener­gie und Coro­na dür­fen von uns kei­ne Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge mehr kom­men, kei­ne Fuß­no­ten und Ergän­zun­gen zur herr­schen­den Poli­tik, es darf kei­ne Rede von der „Kon­zep­ti­ons­lo­sig­keit“ der Regie­rung mehr geben, son­dern Fun­da­men­tal­kri­tik! Lächer­lich die Anma­ßung, wir könn­ten das, was die Regie­rung treibt, bes­ser trei­ben. Was uns von den Alt­par­tei­en unter­schei­det, ist nicht die tech­no­kra­ti­sche Kom­pe­tenz, son­dern die Rich­tung des poli­ti­schen Willens.

Wir soll­ten die eng­stir­ni­ge Kirch­turm­po­li­tik der Frei­en Wäh­ler, die nicht über die Gren­zen der Gemein­de hin­aus­denkt und sich auf tech­no­kra­ti­sche Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge an die Adres­se einer grund­fal­schen Poli­tik beschränkt, gebüh­rend ver­spot­ten. Wir selbst müs­sen bis in den Habi­tus hin­ein den Gegen­ent­wurf dazu ver­kör­pern: Mit Björn Höcke gespro­chen grund­sätz­lich gestimm­te Poli­ti­ker, die bei aller Ver­wur­ze­lung in der Kom­mu­ne das gro­ße Gan­ze nie aus den Augen ver­lie­ren. Die Frei­en Wäh­ler müs­sen als Klein­geis­ter gebrand­markt wer­den, bei denen jede Stim­me ver­lo­ren ist, weil sie weder etwas Grund­sätz­li­ches ändern kön­nen noch wol­len. Und gegen­über der Lari­fa­ri-Coro­na-Kri­tik der FDP hilft nur eines: Die völ­li­ge Unver­hält­nis­mä­ßig­keit der Coro­na-Poli­tik her­aus­stel­len, die Coro­na-Poli­tik scharf angrei­fen, die voll­stän­di­ge Rück­kehr zum Nor­mal­zu­stand for­dern! Was nicht hilft: Par­tei­freun­de, die das Infek­ti­ons­schutz­ge­setz mit dem Ermäch­ti­gungs­ge­setz ver­glei­chen, des­halb unter Druck setzen.

  1. Haupt­ziel­grup­pe sind die Nicht­wäh­ler, nicht die Wechselwähler!

Umge­rech­net auf die Wahl­be­rech­tig­ten stel­len die Nicht­wäh­ler in Baden-Würt­tem­berg 37%, die Grü­nen 20%, die CDU 15%. Die Nicht­wäh­ler sind mit Abstand die größ­te Grup­pe unter den Wahl­be­rech­tig­ten. Allein schon des­halb soll­ten sie auch unse­re Haupt­ziel­grup­pe sein, und dies nicht nur quan­ti­ta­tiv, son­dern auch qua­li­ta­tiv. Die AfD ist als grund­sätz­li­che Alter­na­ti­ve zu allen Par­tei­en des anti­deut­schen Alt­par­tei­en­kar­tells ange­tre­ten. Wir ver­tre­ten die­je­ni­gen, die nicht im Traum dar­an den­ken, noch irgend­ei­ne der Alt­par­tei­en zu wäh­len, und lie­ber nicht wäh­len, als daß sie denen ihre Stim­me geben. Ich erin­ne­re mich noch an einen alten Wahl­hel­fer aus Bad Dür­ren­berg, der 2016 erklärt hat, er habe jetzt Leu­te im Wahl­lo­kal gese­hen, die noch nie in ihrem Leben wäh­len waren. Die Erfol­ge der AfD 2016 gin­gen mit stark gestie­ge­ner Wahl­be­tei­li­gung ein­her, der Miß­er­folg jetzt mit gesun­ke­ner Wahl­be­tei­li­gung. Der Schluß dar­aus ist klar: Die Nicht­wäh­ler sind unse­re Zielgruppe.

Wer mal CDU, mal FDP, mal SPD wählt, kommt für uns nicht in Fra­ge. Ihn zu gewin­nen ist ange­sichts des media­len Sperr­feu­ers unend­lich viel schwe­rer als die Nicht­wäh­ler zu gewin­nen, und wenn es uns denn gelän­ge, einen sich im Alt­par­tei­en­sys­tem bewe­gen­den Wech­sel­wäh­ler her­aus­zu­bre­chen, wür­den wir für jeden Wech­sel­wäh­ler drei Nicht­wäh­ler ver­lie­ren. Wir sol­len des­halb nicht auf gute Main­stream­pres­se hof­fen, son­dern auf die set­zen, die der Main­stream­pres­se so sehr miß­trau­en, daß sie alles, was sie von dort lesen, nega­tiv rezi­pie­ren, also sich von jedem abwen­den, der dort gelobt wird, und sich jedem zuwen­den, der dort ange­grif­fen wird.

Die Mar­ke AfD ist schwer beschä­digt wor­den. Die drei aus­ge­führ­ten Kon­se­quen­zen bedeu­ten eine Rück­be­sin­nung auf den Mar­ken­kern der AfD und eine Renais­sance der alten, breit auf­ge­stell­ten AfD.  Baden-Würt­tem­berg und Rhein­land-Pfalz sind ver­lo­ren. Am 6. Juni haben wir aber in Sach­sen-Anhalt die Mög­lich­keit, die not­wen­di­ge Rück­be­sin­nung zu leisten.

H.-Th.Tillschneider